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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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zurück.
    Â»Haben Sie Ihren Ausritt genossen, Miss Sophia?«, fragte Ling hinter mir.
    Ich fuhr zusammen. Ling bewegte sich wahrlich leise. »Sie haben mich erschreckt!«, rief ich und wirbelte herum. »Ja, Sir, es war ein schöner Tag und eine schöne Landschaft und ein schönes Pferd.«
    Er verbeugte sich und zog sich zurück.
    Ich stand reglos da und beobachtete, wie er mit der Dunkelheit verschmolz. Ich fragte mich, was er wohl von mir hielt. Gewöhnlich wusste ich sehr schnell, ob Leute mich mochten, ob ich ihnen gleichgültig war oder lästig, doch Lings Miene konnte ich nicht lesen. Zu gern hätte ich es gewusst – wenn er eine gute Meinung von mir gehabt hätte, wäre mir das viel wert gewesen.
    Ich zuckte mit den Schultern und lief die Treppe hinauf. Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal und ließ meinen Hut an den Bändern hin und her schaukeln.
    Bevor ich mein Zimmer erreichte, blieb ich vor einer Kredenz auf dem oberen Flur stehen. Auf der Marmorplatte stand eine gerahmte Daguerreotypie von Master Bernard. Jedes Mal, wenn ich daran vorbeikam, betrachtete ich sie. Er saß in einem samtbezogenen Sessel, hielt den Kopf leicht geneigt und die Augen halb geschlossen, als sei er tief in Gedanken versunken. Wahrscheinlich konnte er nur in dieser Haltung die lange Zeit ausharren, die der Fotograf für das Bild brauchte, doch er erweckte den Eindruck, als grübelte er über etwas nach. Ich nahm es mit in mein Zimmer und stellte es neben die Miniatur meiner Mutter. Falls ich mich traute, würde ich meinen Patenonkel fragen, ob es dort bleiben konnte.

Kapitel 8
    BRIEFE AUF EDLEM PAPIER
    15. Juni 1855
    Liebe Anne, lieber Junius und Harry,
    seid ihr beeindruckt, einen Brief von mir auf diesem edlen, cremefarbenen Papier zu erhalten? Mit dem de-Cressac-Wappen darauf, wie ihr hoffentlich bemerkt habt. Auf demselben Papier waren auch die Briefe geschrieben, die uns früher erreicht haben. Und ihr solltet mein Zimmer sehen und den hübschen kleinen Schreibtisch, an dem ich sitze. Ich hoffe, dass ich euch das alles bald zeigen kann. Wenn ihr kommt, werdet ihr mich strahlend vorfinden – und entschieden besser angezogen.
    Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich euch alle vermisse! Ständig fällt mir etwas ein, das ich euch sagen möchte. Ja, ich bin gut hier angekommen. Von der Reise erzähle ich euch in einem späteren Brief. Ich habe nicht sofort geschrieben, weil ich in der Lage sein wollte, mehr über Wyndriven Abbey und M. Bernard (wie ich meinen Patenonkel auf seine Bitte hin nenne) erzählen zu können.
    Ich lerne immer noch, mich im Haus/Schloss, man könnte es auch befestigte Stadt nennen, zurechtzufinden. Morgen wage ich mich zum Gewächshaus und zurück und werde mich glücklich preisen, wenn ich mich nicht verlaufe und erst nach vielen Jahren des Herumirrens gefunden werde, weißhaarig und ohne Verstand. Bei eurem ersten Besuch werde ich euch alles zeigen können. Junius und Harry, wartet, bis ihr die Waffenkammer seht! Ellenlange Schwerter! Sehr spitz.
    Der Haushalt ist faszinierend. Wie ich befürchtet habe, gibt es hier eine ganze Armee afrikanischer Sklaven, aber es ist auch noch anderes ausländisches Dienstpersonal da. Die Haushälterin, Mrs Duckworth (die ich insgeheim Ducky nenne, da M. Bernard sie einmal so genannt hat und der Name zu ihr passt), kommt aus England; Achal, M. Bernards Kammerdiener, ist Inder und seine Hauptaufgabe scheint darin zu bestehen, sich im Hintergrund zu halten und M. Bernard Gehstöcke und solche Dinge zu reichen; der Koch ist Franzose und Ling, der Hausdiener, ist Chinese. Er ist sehr alt und hat einen langen, strähnigen Schnauzbart. Die Enden sehen aus, als würde er darauf herumkauen.
    Was die afrikanischen Bediensteten betrifft – davon gibt es so viele, dass es eine rechte Herausforderung ist, sich ihre Namen zu merken. Stellt euch vor, zwei sind nur für die Kerzen und Lampen zuständig (David und Clovis – Ha! Ich weiß die Namen noch). Unser Kutscher erinnert mich an einen von Papas Klienten, Mr McTavish. Nur dass dieser Kutscher (er heißt Samuel) weder weiß noch dick noch ein Schotte ist. Ich versuche Willie, dem Gärtner, manchmal zu helfen. Ich glaube nicht, dass ich ihn zu sehr störe, aber wenn ich an den Büschen herumschnipple, sagt er zum Beispiel: »Miss Sophia, Sie müssen vorsichtiger sein. Sie haben grad ein

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