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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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schön früh auf den Beinen heute Morgen, du und Tess«, sagte sie, ohne ihn anzuschauen. »Haben die kleinen Jungen euch geweckt?«
    »Nein. Die haben noch geschlafen. Es war nur, weil … Ich hatte einen bösen Traum.« Sie konnte hören, wie viel Mühe es ihn kostete, seine Stimme so beiläufig wie ihre klingen zu lassen.

    Sie sah eine Weile zu, wie der Wind an den Eiben jenseits der Brücke zerrte, und fragte dann: »Willst du darüber reden?«
    »Nein!«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. Dann versuchte er ein wenig zurückzurudern, indem er hinzufügte: »Ich meine … ich kann mich nicht mehr so richtig erinnern.«
    Gemma drängte ihn nicht, aber sie war sich nicht sicher, ob es reine Rücksichtnahme war, die sie dazu bewog, oder ob sie davor zurückschreckte, allzu genau zu erfahren, was der Inhalt von Kits Albträumen war.
    In diesem Moment registrierte sie eine Bewegung im Rückspiegel. Sie sah zu, wie ein moosgrüner Morris Minor im Schritttempo an ihrem Wagen vorbeifuhr, und blinzelte verdutzt, als aus einem riesenhaften grauen Kopf, der auf der Rückenlehne des Rücksitzes ruhte, ein grimmiges Augenpaar sie anfunkelte. Dann war der Kopf plötzlich wieder verschwunden, und der Morris parkte ein paar Meter weiter auf einem Platz, den der uniformierte Constable freigehalten hatte. Die Gestalt, die nun auf der Fahrerseite ausstieg, hielt Gemma im ersten Moment für einen schäbig gekleideten Mann, doch dann sah sie ein paar graue Locken unter der Wollmütze hervorlugen, und sie erhaschte einen Blick auf ein eindeutig weibliches Profil. Die schwarze Arzttasche, welche die Frau vom Sitz nahm, und ihr kurzer Wortwechsel mit dem Constable ließen kaum noch Zweifel an ihrer Identität: Es musste sich um die Rechtsmedizinerin handeln. Doch hinten stieg niemand aus, ob Zwei- oder Vierbeiner, und Gemma fragte sich, ob sie sich die Bestie vielleicht nur eingebildet hatte.
    Sie wandte sich zu Kit um und wollte sich von ihm bestätigen lassen, dass sie nicht geträumt hatte, doch er hatte die Augen niedergeschlagen und streichelte Tess’ Kopf mit bemühter Konzentration.

    »Es tut mir leid, was mit deiner Freundin passiert ist«, sagte Gemma behutsam. Wenn er über das Geschehene reden wollte, würde sie ihm die Gelegenheit dazu geben.
    Er nickte, blieb jedoch stumm, und Gemma wartete mit der unerschütterlichen Geduld, die sie sich in ihrem Beruf mühsam angeeignet hatte. Endlich hielt Kits Hand auf dem Kopf des Terriers inne, und er sah sie kurz an, ehe er sich wieder abwandte.
    »Gestern war sie noch gesund und munter«, sagte er, und seine belegte Stimme verriet seine innere Bewegung. »Wenn ich nicht … Wenn ich länger geblieben wäre, hätte ich es vielleicht irgendwie verhindern können.«
    Gemma stockte der Atem. »Du hast sie gestern gesehen?«
    »Ich war mit Lally und ihrem Freund Leo zusammen. Sie – Annie – hat uns gefragt, ob wir an Bord kommen wollen, aber ich habe Nein gesagt. Ich wollte niemanden sonst aufs Boot mitnehmen. Ich dachte …« Kit brach ab, errötete und rieb sich mit dem Handrücken die Wangen.
    Gemma, die jetzt selbst einen Kloß im Hals hatte, sagte: »Du hast sie gemocht, und das hat dir so viel bedeutet, dass du es mit niemandem teilen wolltest.«
    Kit warf ihr einen dankbaren Blick zu und nickte.
    »Das kann ich verstehen«, sagte Gemma, dann runzelte sie die Stirn. »Aber wieso glaubst du, dass es irgendetwas geändert hätte, wenn du länger geblieben wärst? Hast du irgendetwas oder irgendjemanden gesehen, während du dort warst?« Es war jetzt warm im Auto, und sie schaltete den Motor aus.
    In die plötzliche Stille hinein sagte Kit stockend: »Nein. Aber wenn der Typ, der das mit ihr gemacht hat … wenn der mich gesehen hätte, dann hätte er gewusst, dass sie nicht allein ist, und hätte sie vielleicht nicht …«
    »Nein, Kit, das darfst du nicht denken.« Gemma war entsetzt. Was wäre geschehen, wenn der Mörder der Frau damit
gerechnet hätte, sie allein vorzufinden, und Kit bei ihr angetroffen hätte?
    Sie schluckte und bemühte sich, ihn zu beruhigen. »Also, erstens wärst du wohl kaum mehr als ein paar Minuten geblieben, wenn du an Bord gegangen wärst. Und zweitens – es war doch am hellen Nachmittag, als du Lally nachgegangen bist, nicht wahr?«
    Als Kit nickte, fuhr Gemma fort: »Nach allem, was du uns erzählt hast, erscheint es mir sehr unwahrscheinlich, dass deine Freundin am Tag ermordet wurde.« Die Brutalität des Verbrechens legte eher die

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