So will ich schweigen
deswegen.«
19
»Er lügt, wenn du mich fragst.« Babcock blickte sich noch ein letztes Mal nach dem Haus um, ehe er den BMW auf die Hauptstraße lenkte.
»Wegen gestern Abend?« Kincaid ließ seinen Sicherheitsgurt einrasten und drehte am Lüftungsregler, bis ihm die kalte Luft nicht mehr ins Gesicht blies. »Ja, ich denke schon«, pflichtete er Babcock bei. »Und vielleicht auch in anderen Punkten – aber irgendetwas an der letzten Frage hat ihn echt ins Schwitzen gebracht.«
Er versuchte immer noch, seine Eindrücke von Roger Constantine zu sortieren, und musste feststellen, dass er Gemmas Kommentare vermisste. Sie waren es gewohnt, ihre Ideen auszutauschen und kritisch unter die Lupe zu nehmen, und dabei war nichts zu weit hergeholt, um es aufs Tapet bringen zu können. Ronnie Babcock hatte sich allerdings als guter Zuhörer erwiesen. »Constantine scheint mir jedoch ein kluger Mann zu sein«, dachte er laut nach. »Man sollte meinen, dass er sich ein wasserdichtes Alibi zurechtlegen würde, wenn er vorhätte, seine Frau zu ermorden.«
Als sie die ländliche Idylle von Tilston hinter sich gelassen hatten und das Gebläse endlich angenehm warme Luft von sich zu geben begann, sagte Babcock: »Aber was ist, wenn die Tat nicht geplant war? Wenn Annie ihn nicht nur angerufen hat, um sich mit ihm zum Essen zu verabreden? Was diesen Punkt betrifft, haben wir nur seine Aussage. Vielleicht hat sie ja am Telefon eine Bombe platzen lassen? Vielleicht hat sie ihm
gesagt, sie wolle sich mit ihm treffen, um über die Scheidung zu diskutieren? Dann wäre für den armen Roger Schluss gewesen mit dem angenehmen Leben in der viktorianischen Villa.« Er wies mit dem Daumen hinter sich. »Er hätte ja nicht nur das Haus verloren. Ich glaube kaum, dass er mit seinem Journalistengehalt einen vergleichbaren Lebensstandard hätte aufrechterhalten können. Und jetzt kriegt er alles, plus die Lebensversicherung, ohne jegliche Verpflichtungen. Ich würde sagen, er hatte eine ganze Menge zu verlieren.«
Kincaid dachte darüber nach und runzelte die Stirn. »Wenn es nun aber genau andersherum war – sie ruft ihn an und sagt, dass sie wieder zu Hause einziehen will? In den fünf Jahren, seit sie weg ist, hat er sich vielleicht allzu sehr mit dem Status quo angefreundet. Vielleicht wollte er nicht, dass sie zurückkommt. So oder so …«
»So oder so hatte er ein Motiv, aber die Logistik ist ein Problem. Angenommen, er wurde von ihrem Anruf überrascht und wollte mit ihr persönlich sprechen, aus welchem Grund auch immer. Ich bin mir nicht sicher, ob er in dem Nebel gestern Abend von Tilston nach Barbridge hätte fahren können, geschweige denn den Weg zu ihrem Boot finden – zumal, wenn er nicht genau wusste, wo sie angelegt hatte.«
Sie waren gerade um eine schwer einsehbare, nahezu rechtwinklige Kurve auf eine kleine Landstraße abgebogen, die kaum breiter war als das Auto. Kincaid schauderte bei dem Gedanken, diese Strecke nachts und bei widrigen Bedingungen fahren zu müssen. Es war möglich, aber war es auch wahrscheinlich? »War der Nebel weiter westlich auch so dicht?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht, aber das werden wir herausfinden.« Babcock zog sein Handy aus der Tasche und drückte die Schnellwahltaste. »Sheila? Sind Sie noch auf dem Boot? Okay, hören Sie zu. Sie müssen ein paar Sachen für mich recherchieren. Ich
muss wissen, ob der Nebel sich gestern Abend bis nach Tilston erstreckt hat. Was?« Er sah Kincaid an und grinste. »Ich weiß, dass Sie nicht der Wetterdienst sind«, fuhr er fort. »Aber es sollte dort sowieso mal jemand, der aus der Ecke stammt, von Haus zu Haus gehen und mit den Nachbarn ein bisschen über Roger Constantine plaudern. Wir müssen wissen, was man sich über ihn und seine Frau so erzählt, und natürlich auch, ob er gestern Abend von irgendwem gesehen wurde. Und wenn Sie sowieso schon jemanden aus Tilston an der Strippe haben, kann der Ihnen sicher auch sagen, ob sie da gestern so richtig dicken Nebel hatten.
Ach ja, und wenn Sie das erledigt haben, nehmen Sie sich sämtliche Finanztransaktionen vor, die das Boot betreffen – oder besser gleich alle Papiere, die Sie finden können. Und was ist eigentlich mit den Zeugenbefragungen in Barbridge?«
Ein empörtes Quäken tönte blechern aus dem Lautsprecher des Telefons, und Babcock verdrehte die Augen. »Natürlich schaffen Sie das alles«, sagte er beschwichtigend. »Ich habe großes Vertrauen in Sie. Ich rufe Sie an, wenn wir wieder
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