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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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die mattgraue Farbe angelaufenen Silbers angenommen, und er glaubte, Schnee in der Luft riechen zu können.
    »Das wirst du schon sehen.« Lally zog den Saum ihres Baumwoll-Sweatshirts herunter, reckte das Kinn in die Höhe und zog die Tür auf. Auf der Schwelle blieb sie stehen und rief: »Kann ich mal bei euch aufs Klo?«
    Durch das Fenster sah Kit, wie der Barmann aufblickte. Sein rundliches Gesicht war mit Pickeln übersät, und Kit schätzte ihn kaum älter als achtzehn.
    »Tut mir leid.« Der Barmann schüttelte den Kopf, während er den Tresen mit einem Lappen abwischte. »Du bist noch nicht volljährig. Benutz die öffentlichen Toiletten oder geh ins Crown. Die lassen dich rein.«
    Lally trat mit gespielter Ungeduld von einem Fuß auf den anderen und jammerte: »Bitte! Ich muss ganz dringend. Ich glaub nicht, dass ich noch so weit gehen kann. Ich werd mich auch beeilen.«

    »Na gut. Aber mach die verdammte Tür zu und trödel nicht.«
    Lally warf Kit ein triumphierendes Lächeln zu und schlüpfte hinein. Er sah sie in einem Gang verschwinden, der zum hinteren Teil des Pubs führte. Nachdem der Barmann noch ein paar Sekunden den Lappen geschwungen hatte, holte er etwas unter dem Tresen hervor und schlenderte dann wie beiläufig den Flur hinunter, durch den Lally gegangen war.
    Einen Augenblick später kam er zurück, und gleich hinter ihm tauchte Lally auf. Die Hände in die Taschen ihres Sweatshirts gestopft, durchquerte sie eilig die Bar. »Danke, ey«, warf sie dem Barmann lässig über die Schulter zu, während sie die Tür aufstieß.
    »Das ist Sean«, erklärte sie, als sie zum Buchladen zurückgingen und Kit sie mit einer Hand an ihrem Ellbogen zur Eile drängte. »Wohnt nur ein paar Häuser weiter von uns. Der würde alles für mich tun.« Lally angelte eine Schachtel Benson & Hedges aus ihrer Sweatshirttasche und begann das Zellophan abzuziehen. Der Wind erfasste den federleichten Fetzen, als sie ihn achtlos wegwarf, und wirbelte ihn umher wie einen Lamettafaden, der kurz aufblitzte und verschwand.
    Lally zog eine Zigarette aus der Schachtel und ein Plastikfeuerzeug aus der Tasche, während sie ihren Schritt verlangsamte und unter der Markise eines Ladens stehen blieb. »Warte mal einen Moment«, sagte sie. Sie steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und hielt die hohle Hand über die Spitze, während sie das Feuerzeug anklickte.
    »Lally, hör auf mit dem Scheiß! Du kannst dich doch nicht hier mitten auf die Straße stellen und rauchen. Was ist, wenn dich jemand sieht?« Kits Stimme bebte vor nervöser Ungeduld.
    »Na und? Was soll ich denn sonst machen? Warten, bis wir wieder im Laden sind und mir im Hinterzimmer eine anstecken?
Das war schließlich der Sinn der ganzen Übung, falls du es schon vergessen hast – dass ich eine rauchen wollte.« Sie inhalierte, beugte sich ein Stück weiter unter die schützende Markise und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen, ehe sie sich abwandte.
    Kit starrte ihr Profil an. Einen kurzen Moment lang hatte er das sonderbare Gefühl, sie so sehen zu können, wie sie in zehn Jahren aussehen würde oder in zwanzig, die zarten Konturen ihres Gesichts verhärmt und verhärtet durch die Zeit und die Erfahrung.
    Zugleich mit dieser Vision überkam ihn ein Gefühl der Ohnmacht und eine tiefe Traurigkeit, aber er sagte nur: »Sie werden sich fragen, wo wir sind. Was sollen wir denn sagen, wenn sie uns schon gesucht haben?«
    »Mir fällt schon was ein«, fuhr sie ihn an. »Mein Gott, Kit, nun sei doch nicht so ein Weichei. Du klingst schon wie mein Freund Peter. ›Du sollst nicht rauchen, Lally‹«, äffte sie ihn nach. »›Du sollst nicht trinken, Lally. Du sollst dies nicht, du sollst das nicht. Du könntest Ärger kriegen, Lally.‹« Sie ließ ihre halb aufgerauchte Zigarette fallen und zertrampelte sie grimmig mit dem Absatz. »Das war alles nur dummes Geschwätz. Am Ende war er auch nicht anders – nein, er war schlimmer.« Sie funkelte Kit an, wie um ihn zum Widerspruch herauszufordern. Mühsam zurückgehaltene Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie sich unwillig abwandte und Richtung Buchladen weiterging.
    Eine kalte Nadel traf Kit an der Wange, dann noch eine. Eisregen fiel vom Himmel. Er rannte ihr nach und mühte sich, seine Stimme wiederzufinden. »Warum? Warum war er schlimmer?«
    Der auffrischende Wind trug ihm ihre Worte zu, und er glaubte, ihre Wut in dem kalten Luftstoß zu spüren. »Darum. Weil er ein beschissener Heuchler war,

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