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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Kincaid am gestrigen Abend durch. Es war eine heikle Situation. Nicht nur, dass Kincaid ihm gegen den Willen seiner Schwester von deren Verdacht erzählt hatte – Babcock kannte Juliet Newcombe auch nicht gut genug, um ihre Glaubwürdigkeit beurteilen zu können. Er konnte nicht ausschließen, dass sie die ganze Geschichte nur erfunden hatte, um eine persönliche Rechnung mit Dutton zu begleichen.
    Die Jalousien an den Bürofenstern wurden hochgezogen. Das war für Babcock das Signal, sich von der Bank aufzuraffen und über die Churchyardside zu dem Bürogebäude am Ende der Monk’s Lane zu gehen. Ein dezentes Läuten ertönte, als Babcock die Tür aufstieß und den Empfangsbereich betrat. Piers Dutton kam sofort aus seinem Büro hervor. Er schien überrascht, Babcock zu sehen, aber nicht beunruhigt.
    »Sie sind ja heute früh dran, Chief Inspector«, sagte er freundlich. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich möchte Sie nur kurz sprechen, Mr. Dutton, falls Sie nichts dagegen haben.«
    »Sind Sie mit Ihrer Suche nach den verschwundenen Smiths noch nicht weitergekommen?«, fragte Dutton, während er Babcock in das Zimmer bat, aus dem er gekommen war. »Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?«
    »Ja, danke.« Babcock, der selbst ein ziemlicher Morgenmuffel war, wunderte sich ein wenig über Duttons herzlichen Empfang. Aber einen Kaffee – und es war wahrscheinlich sehr guter Kaffee – würde er nicht ablehnen, zumal er halb erfroren war.
    Er folgte Dutton und sah sich interessiert in dessen Privatbüro um. Was den Kaffee betraf, hatte er richtig vermutet. Ein
chromblitzender Automat aus deutscher Produktion, der aussah, als würde er mit Raketentreibstoff laufen, prangte auf dem Sideboard an der hinteren Wand, und der Duft, der ihm entströmte, war so köstlich, dass Babcock das Wasser im Mund zusammenlief.
    Die restliche Einrichtung war im gleichen Stil gehalten wie das Sideboard – einem Stil, der Babcock persönlich überhaupt nicht zusagte. Doch das edle Holz und der Teppich, in dem er bis zu den Knöcheln versank, rochen nach Geld, und das war wohl auch ihr hauptsächlicher Zweck. An der maisfarbenen Wand hinter Duttons Schreibtisch hing ein einzelnes Gemälde, eine kunstvoll gerahmte Studie eines kastanienbraunen Pferdes und eines Spaniels im Stil von George Stubbs. Doch je länger Babcock die juwelengleiche Tiefe der Farben und den exquisiten Pinselstrich studierte, desto mehr stieg in ihm der Verdacht auf, dass es sich tatsächlich um einen echten Stubbs handelte. Er pfiff leise durch die Zähne.
    »Bitte sehr, Chief Inspector.« Dutton reichte ihm seinen Kaffee – in einer Tasse mit Untertasse aus feinstem Porzellan – und sah ihn fragend an.
    »Ich habe nur Ihr Gemälde bewundert«, sagte Babcock, der sich einen Spaß daraus machte, den unbeleckten Provinzler zu spielen. »Erinnert mich an ein Bild, das ich mal in London gesehen habe, in der Tate. Von George Stubbs, wenn ich mich recht entsinne.«
    Dutton wandte sich ab, um das Gemälde anzuschauen, doch es gelang ihm nicht ganz, den Ausdruck der Befriedigung zu verbergen, der über sein Gesicht huschte. »Scharf beobachtet, Chief Inspector. Es ist in der Tat ein Stubbs. Ein Familienerbstück übrigens, aber ich habe es hier aufgehängt, damit ich mehr davon habe.«
    Das wagte Babcock nun wieder zu bezweifeln, da Dutton dem Bild den Rücken zuwandte, wenn er an seinem Schreibtisch
saß, und ebenso wenig glaubte er, dass es sich um ein Erbstück handelte, doch er gab sich gehörig beeindruckt. »Haben Sie denn keine Angst vor Dieben, Sir?«, fragte er mit einem Blick zum Fenster, das direkt auf den Marktplatz hinausging.
    »Unsere Räume sind sehr gut gesichert«, antwortete Dutton. »Und ich erzähle ja nicht überall herum, dass es ein Original ist. Die wenigsten Leute haben eine Vorstellung von seinem Wert.« Er musterte Babcock neugierig. Es war vielleicht ein Fehler gewesen, Interesse an dem Bild zu zeigen, dachte Babcock, doch er fand es interessant, dass Dutton der Versuchung nicht hatte widerstehen können, mit seinem Besitz zu protzen.
    Dutton schenkte sich selbst Kaffee ein, um dann auf einem der zwei Besucherstühle Platz zu nehmen, während er Babcock den anderen anbot. Es war eine Geste, die eine behagliche Atmosphäre schaffen sollte und die Dutton vermutlich auch einsetzte, wenn er einen Kunden zu einem Abschluss bewegen wollte. Babcock fragte sich, wieso der Mann plötzlich seine Taktik geändert hatte, nach der subtilen

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