Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
Sozialarbeiterin, eins von den beiden. Ich hab sie nur von weitem gesehen, aber die Typen erkenne ich meilenweit gegen den Wind – diese selbst ernannten Weltverbesserer, die in alles ihre Nase stecken müssen. Sie hat mit Marie geredet, diese Frau, hat ihr Fragen gestellt. Und als sie mich kommen sah, hat sie sich gleich aus dem Staub gemacht.«
    »Was hat sie gefragt? Hat Marie Ihnen das erzählt?«
    »Nur, dass es eine ›liebe Frau‹ gewesen wäre.« Gabriel fuhr sich frustriert mit der Hand durch das dunkle Haar, sodass die Spitzen wild abstanden. »Ein ums andere Mal hab ich’s dem Mädchen eingebläut, dass es nicht mit Fremden reden soll …«
    »Lassen Sie sie, Gabriel«, sagte Althea, während sie fieberhaft nachdachte. »Sie ist doch noch ein Kind, und um sie geht es ja hier auch gar nicht.« Wenn die Polizei Gabriel im Verdacht hatte, hätte Babcock dann nicht etwas gesagt, als sie gestern Nachmittag mit ihm gesprochen hatte? War es denkbar, dass Babcock Wind von ihrer Verwicklung in die Geschichte
bekommen und ihr seinen Verdacht bewusst vorenthalten hatte? Schließlich hatte er auch über ihren Kopf hinweg mit dem Forensischen Anthropologen über die mumifizierte Kinderleiche gesprochen.
    Was, wenn Babcock auf Annie Lebows Verbindung mit Gabriel und seiner Familie gestoßen war? Und wenn die Polizei von den früheren Anschuldigungen gegen Rowan und Gabriel erführe, würde das Jugendamt doch sicher nicht lange auf sich warten lassen?
    Sie blickte Gabriel in die Augen und sah die nackte Angst darin, und da wusste sie, dass ihre Entscheidung schon gefallen war. Nur einen Augenblick lang fragte sie sich, wie aus der Frau, die ihr Leben lang sämtliche Verpflichtungen über die Pflege ihrer Schwester hinaus abgelehnt hatte, diese leichtsinnige Person geworden war, die bereit war, Karriere und Ruf zu opfern, um Menschen zu helfen, die sie kaum kannte. Aber dann hörte sie sich schon sagen: »Gabriel?«, und die Stimme der Vernunft erlosch wie ein Irrlicht.
    »Gabriel!«, wiederholte sie mit mehr Nachdruck. »Hören Sie zu. Was die Kinder betrifft – ich denke, Sie sollten sie für eine Weile bei mir wohnen lassen.« Sie kam dem Protest zuvor, der sich schon auf seinen Lippen formte, während sie sich zugleich fragte, wie das alles mit ihrer Arbeit im Krankenhaus zu vereinbaren wäre und wie sie die Dinge zu Hause regeln sollte. Sollte sie sich einfach krankmelden? Könnte sie es riskieren, die Kinder mit Beatrice allein zu lassen? Könnte sie Paul um Hilfe bitten?
    »Wenn die Polizei wiederkommt, hat sie vielleicht jemanden vom Jugendamt dabei«, fuhr sie fort. »Wenn die Kinder dann nicht mehr hier wären, hätten wir zumindest eine Chance, das Schlimmste abzuwenden. Ich habe Beziehungen …«
    »Aber Rowan, sie würde es nicht ertragen, sie gehen zu lassen.
Jede Minute, die ihr noch bleibt …« Er brach ab und blickte mit geröteten Augen zum Boot hinüber. »Wie könnte ich auch nur …?«
    »Ich weiß«, sagte Althea sanft. »Aber was wäre, wenn sie Ihnen die Kinder wegnähmen? Ich kann mir nicht vorstellen, was für Rowan schlimmer sein könnte als das. Und wenn sie kommen … falls die Polizei Sie zur Vernehmung aufs Revier mitnehmen sollte, würden die Kinder mitbekommen …«
    »Sie haben noch nie eine Nacht woanders als auf diesem Boot verbracht«, protestierte Gabriel heftig. »Sie kennen nichts anderes.«
    Eine Woge der Traurigkeit überkam Althea. Sie legte ihm die Hand auf den Arm – eine Berührung, die weder er noch sie bis vor wenigen Augenblicken akzeptiert hätte. »Gabriel, es wird sich vieles ändern. Was immer geschieht, es wird nicht mehr so sein wie früher.«
     
    »Du hättest sowieso nicht mit ihm fahren können«, sagte Gemma leise zu Kincaid. »Du bist zu nahe dran an der Geschichte, das weißt du. Wir können froh sein, wenn DCI Babcock uns nicht ganz vor die Tür setzt, weil Juliet in den Fall verwickelt ist.«
    Sie hatten sich an einen freien Schreibtisch in der Ecke der Einsatzzentrale zurückgezogen, und sie wusste, dass es für Kincaid genauso frustrierend sein musste wie für sie, zu sehen, wie die Ermittlungen um sie herum weiterliefen, ohne dass sie daran beteiligt waren. Er hatte sich auf einen Drehstuhl gesetzt, dessen rissiges Kunstlederpolster mit Klebeband geflickt war. Er starrte finster vor sich hin und trommelte mit den Fingern auf der klebrigen Schreibtischplatte herum. Sie wusste, dass er wusste, wie recht sie hatte, aber ihr war auch klar, dass es seine

Weitere Kostenlose Bücher