So will ich schweigen
die Worte: »Wir müssen reden. Sofort.«
Nachdem sie sich ziemlich überstürzt und ein wenig verlegen verabschiedet hatten, eilte Gemma voraus zu ihrem Escort,
den sie vor dem Revier im absoluten Halteverbot abgestellt hatte. Erstaunlicherweise klemmte kein Strafzettel unter dem Scheibenwischer.
Im Wagen war es immer noch angenehm warm, aber Gemma zitterte dennoch, als sie sich anschnallten. Kincaid drehte sich mit besorgter Miene zu ihr um. »Was ist denn los, Gem? Sind die Kinder …?«
»Denen geht’s gut.«
»Aber was ist es dann? Was hast du da draußen eigentlich gemacht? Wieso hast du dir heute Nachmittag die Tatorte angeschaut?«
Gemma schüttelte den Kopf. »Das hat damit gar nichts zu tun. Sag, können wir vielleicht irgendwo anhalten und in Ruhe reden?«, fragte sie. Sie wusste, dass sie nicht gleichzeitig fahren und erklären könnte. Es würde bald dunkel sein, der Nebel wurde dichter, und sie hatte eine dünne Eisschicht unter den Sohlen gespürt, als sie zum Wagen gegangen waren.
»Aber du hast doch gesagt, wir müssten die Jungs abholen …«
»Das war nur ein Vorwand.«
Er starrte sie an, den Mund schon zur nächsten Frage geöffnet, doch dann nickte er plötzlich und ließ sich in seinen Sitz zurücksinken. »Okay. Lass uns ins Crown in Nantwich gehen. Das liegt auf halbem Weg, und ich denke, dass wir uns dort in der Bar ungestört unterhalten können.«
Als sie in der heraufziehenden Dunkelheit über den Marktplatz auf das alte Gasthaus zugingen, dachte Gemma an den Heiligabend, als sie beobachtet hatte, wie Lally und ein Junge, den sie für Kit gehalten hatte, sich verstohlen in den Schatten der Kutscheneinfahrt des Crown gedrückt hatten. Aber da musste sie sich wohl geirrt haben, denn die Kinder hatten beide in der Kirche auf sie gewartet. Mit einem Achselzucken schob sie die Erinnerung beiseite, als Kincaid sie in die Lounge Bar des Gasthauses führte.
Die Wärme, die von Dutzenden auf engem Raum versammelten Leibern und dem lodernden Kaminfeuer ausging, schlug ihnen wie eine Welle entgegen, und Gemma zog ihre Jacke schon aus, bevor sie sich hinter einen kleinen Tisch in der Ecke zwängten. Die Flammen spiegelten sich wie funkelnde Juwelen im Bleiglas der Fenster, und das Stimmengemurmel bildete einen beruhigenden Geräuschteppich, doch Gemma sah voller Ungeduld zu, wie Duncan ihre Getränke von der Bar holte. Jetzt, nachdem sie Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken, wusste sie nicht mehr so recht, was sie eigentlich sagen sollte.
Vielleicht hätte sie zuerst versuchen sollen, Juliet dazu zu überreden, das, was sie über Newcombe & Dutton herausgefunden hatte, auch Duncan anzuvertrauen.
Als Kincaid mit einem Bier für sich selbst und einer Limonade für Gemma zurückkam, holte sie tief Luft und begann: »Es gibt da ein paar Dinge, die du über deine Schwester wissen musst.«
»Du spinnst wohl! Das kann doch nicht dein Ernst sein!« Juliet sprang vom Sofa auf und wich vor Kincaid zurück, als hätte er sie geschlagen.
»Jules, sei doch bitte vernünftig. Und schrei nicht so.« Sobald sie im Haus angekommen waren, hatte er seine Schwester so unauffällig wie möglich in das leere Wohnzimmer manövriert, aber wenn sie ihn weiter so anbrüllte, würde bald die ganze Familie angelaufen kommen, um zu sehen, was los war. Nicht, dass er etwas gegen ein Publikum gehabt hätte – die Kinder natürlich ausgenommen -, aber ihr wäre es bestimmt nicht recht gewesen.
»Vernünftig?« Juliet war inzwischen an das andere Sofa gestoßen, machte aber keine Anstalten, sich auf das rissige Lederpolster niederzulassen. »Wenn ich vernünftig gewesen wäre,
hätte ich Gemma nie ein Wort davon erzählt, und sie hätte es dir auch niemals weitersagen dürfen. Wie konntest du nur auf die Idee kommen, dass ich damit einverstanden sein würde, meinen Mann in einen Mordfall hineinzuziehen?«
»Du würdest Caspar in nichts hineinziehen. Es ist sein Partner, der die Abrechnungen frisiert hat, wenn es stimmt, was du Gemma erzählt hast«, entgegnete er mit mühsam gewahrter Beherrschung. Obwohl Gemma ihn vorgewarnt hatte, dass Juliet so reagieren würde, war er auf ihre Empfindlichkeit und den hysterischen Unterton ihrer Stimme nicht vorbereitet gewesen. Er sprach ruhig weiter, bemüht, selbst vernünftig zu bleiben. »Sieh mal, Jules, du hast gesagt, du hättest Beweise dafür entdeckt, dass Piers Dutton Geld von den Konten seiner Investoren abgezweigt hat. Annie Lebow war offenbar eine
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