So will ich schweigen
und Kincaid ein dankbares Publikum gefunden zu haben.
Sie hatten sich in der provisorischen Einsatzzentrale häuslich niedergelassen und halfen aus, wo sie konnten. Beide litten unter der erzwungenen Untätigkeit und fühlten sich durch ihre fehlende Autorität gehemmt, konnten sich aber auch nicht entschließen zu gehen. Gemma hatte sich an Sheila Larkins Schreibtisch gesetzt, da diese ins Leichenschauhaus gefahren war, um dort Roger Constantine zu treffen. Sie blätterte in Akten, von denen sie wusste, dass Constable Larkin sie schon durchgesehen hatte, während sie immer wieder nervöse Blicke auf Kincaid warf, der schon seit einer Weile in brütendes Schweigen versunken war. Es machte ihr Sorgen, und sie musste sich zwingen, ihre Unruhe nicht durch munteren Smalltalk zu überspielen.
»Und jetzt, wo er seinen teuren Anwalt dabei hat, bezweifle ich, dass wir ihn die vollen vierundzwanzig Stunden werden
festhalten können«, fuhr Rasansky fort, nachdem er sich ihrer Aufmerksamkeit gewiss war.
»Aber die Beweise in seinen Akten …«, begann Gemma, doch Rasansky unterbrach sie.
»Oh, wegen Betrugs können wir ihn sicher irgendwann drankriegen, keine Frage, aber es könnte Monate dauern, bis das Belastungsmaterial für einen Prozess ausreicht. Und was den Mord an Lebow betrifft, da ist sein Alibi ziemlich überzeugend. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Chef ihn verhaften wird, solange keine neuen Indizien oder Zeugenaussagen vorliegen. Seine Freunde haben bestätigt, dass er mit ihnen in Tarporley zu Abend gegessen und erst weit nach zweiundzwanzig Uhr das Lokal verlassen hat. Sie haben auch nach einigem Zögern zugegeben, dass er einiges getrunken hatte und wohl besser nicht mehr Auto gefahren wäre. Und wenn er wirklich so zu war, wie wahrscheinlich ist es dann, dass er im Nebel zum Leinpfad runtergetorkelt ist, Lebows Bodenanker aus der Erde gerissen und sich geduldig auf die Lauer gelegt hat, bis sie herauskam, um nach dem Rechten zu sehen?«
»Und was ist jetzt mit Caspar Newcombe?«, fragte Kincaid. Babcock hatte ihnen von Caspars eilfertig präsentiertem Alibi für seinen Partner berichtet.
»Dutton sagt, er bewundere Newcombes Loyalität, aber sein Eingreifen sei ›unangebracht‹ gewesen. Der Mann ist ein Idiot, wenn Sie mich fragen«, fügte Rasansky hinzu, und Gemma fragte sich, ob er vergessen hatte, dass Caspar Newcombe Kincaids Schwager war. Jeder, der nur für einen Groschen Takt besaß, wäre beim Anblick von Kincaids Miene sofort verstummt, aber Rasansky plapperte munter weiter. »Wir haben auch für Newcombes Akten einen Durchsuchungsbeschluss beantragt, und bis wir den haben, bleiben seine Geschäftsräume versiegelt. Wenn wir Glück haben, kriegen wir die
Schweine beide wegen Betrugs dran.« Er grinste sie an, offenbar hocherfreut über die Aussicht.
Gemma hatte gerade ein ersticktes »Ja« hervorgebracht, als sie zu ihrer großen Erleichterung Sheila Larkin hereinkommen sah. Etwas verspätet blieb sie stehen, um sich auf dem extra strapazierfähigen Teppichboden den pappigen Schnee von den Stiefeln zu trampeln. »Schneit schon wieder«, sagte sie, als sie zu ihnen trat, und als Gemma aufstehen wollte, bedeutete sie ihr, Platz zu behalten. Sie warf ihre gefütterte Jacke auf einen leeren Schreibtisch und fuhr an Gemma gewandt fort: »Sie können gerne sitzen bleiben, ich muss sowieso an den Computer. Und, schon was aus Dutton rausgekriegt?«
»Der DCI sitzt noch mit ihm da drin.«
Larkin verzog das Gesicht. »Ich bin auch kein bisschen weitergekommen, es sei denn, im Ausschlussverfahren. Ich habe mich wegen der formalen Identifizierung mit Roger Constantine im Leichenschauhaus getroffen.« Sie pflanzte eine Pobacke auf den Schreibtisch und stieß dabei einen Papierstapel zur Seite. »War ganz schön fertig, der arme Kerl, und da dachte ich mir, ich nutze seinen ›fragilen Gemütszustand‹ gleich aus.« Die Anführungszeichen waren nicht zu überhören, und Gemma konnte sich vorstellen, dass der Ausdruck auf Babcock zurückging.
»Er war schockiert, als er hörte, dass seine Nachbarn sich über seine gelegentlichen Treffen mit dieser jungen Frau im Pub die Mäuler zerrissen haben – wie sich herausstellte, handelt es sich um seine Patentochter. Aber nachdem ich ihn ein bisschen ermuntert hatte, gab er zu, dass er nach dem Anruf von Lebow am Abend ihrer Ermordung den Rest des Abends bei einer Nachbarin verbracht hat. Ihr Ehemann war offenbar verreist, aber sie ist bereit, seine
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