So will ich schweigen
hinausgeschlüpft, ehe irgendwer protestieren oder Toby ihm folgen konnte.
Die Luft im Treppenhaus schien eiskalt im Vergleich zu der molligen Wärme des Wohnzimmers. Kein Geräusch drang aus
der Küche, wo die Hunde am Ofen ein Nickerchen hielten. Er wollte sie nicht stören und stieg leise die Treppe hinauf, doch in Wirklichkeit war ihm selbst nicht so recht klar, wieso er es nötig hatte, wie ein Dieb durchs Haus zu schleichen.
Als er den oberen Flur erreichte, sah er, dass die Badtür geschlossen war, und als er näher trat, hörte er leises Plätschern, und der Duft eines Schaumbads drang durch die Türritze. Er bezweifelte, dass es Lally war, die in der Wanne lag, obwohl das Bild, das dieser Gedanke flüchtig heraufbeschwor, ihm ein Kribbeln über die Haut jagte, das ihn ganz verlegen machte.
Dann vielleicht in Hughs Arbeitszimmer, wo Lally und Juliet geschlafen hatten? Die Tür stand einen Spalt offen, doch als er hineinschaute, sah er, dass das Bettsofa zusammengeklappt war, und nur Hughs in den Ecken gestapelte Bücher und Papiere deuteten darauf hin, dass das Zimmer bewohnt war.
Verwirrt fragte sich Kit, ob Lally vielleicht die ganze Zeit in der Küche gewesen war, doch dann beschloss er, da er schon einmal oben war, noch schnell ein Buch zu holen, das er gerade las und das er Hugh zu zeigen versprochen hatte.
Ohne die Vorsicht, die er beim Blick ins Arbeitszimmer hatte walten lassen, riss er die Tür des Zimmers auf, das er mit den anderen Jungen teilte, und erstarrte.
Lally hockte auf seinem Bett und wühlte mit einer Hand in den Tiefen eines Rucksacks. Sie fuhr zusammen, als hätte jemand auf sie geschossen.
»Was machst du hier?«, zischte sie ihn an.
»Das ist mein Zimmer«, gab er erbost zurück. »Sag mir lieber, was du hier machst.«
»Ich versuche, meiner blöden Mutter aus dem Weg zu gehen, wenn du’s genau wissen willst.«
»Warum?«
»Weil ich sie hasse«, entgegnete Lally giftig.
»Das meinst du doch …«
»Das mein ich verdammt ernst.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich hasse sie. Ich wünschte, sie wäre tot.«
Kit durchmaß das Zimmer mit zwei Schritten. Als die Bettkante seine Vorwärtsbewegung stoppte, holte er aus und versetzte Lally eine schallende Ohrfeige. Erst dann merkte er, dass er vor Wut zitterte. »Sag so was nicht. Sag so was nie mehr. Du weißt ja nicht, was das heißt.«
Er wartete darauf, dass sie zurückschlug, dass sie ihm sagte, er solle sich verpissen, dass sie um Hilfe schrie – aber sie starrte ihn nur an und flüsterte: »Und du weißt nicht, was sie getan hat.« Die Tränen flossen jetzt über ihre Wangen, zogen glitzernde Spuren über den weißen Abdruck seiner Hand, und Kit schämte sich.
»Lally, es tut mir leid. Ich wollte nicht … es ist nur, weil …«
»Sie hat alles kaputt gemacht. Warum konnte sie nicht einfach alles lassen, wie es war? Es ging uns doch gut.«
Kit, der sich plötzlich total hilflos fühlte, setzte sich neben sie aufs Bett. Er zog ihre Hand aus dem Rucksack und hielt sie. »Hör mal, ich weiß, dass deine Eltern sich nicht vertragen, aber was immer aus ihnen wird, du wirst drüber hinwegkommen.« Ihre Hand zwischen seinen fühlte sich an wie ein lebendiges Wesen, eine kleine, gefangene Kreatur, starr vor Schreck.
»Das werde ich nicht.« Sie erwiderte seinen Blick, und in ihren Augen las er eine Gewissheit, die ihm einen Schauer über den Rücken jagte.
Bevor er etwas sagen konnte, zog sie ihre Hand zurück und verschloss den Rücksack. »Ich gehe heute Abend weg«, sagte sie matt. »Sobald es dunkel ist.«
»Das kannst du nicht«, protestierte er. »Deine Mutter hat dich ja schon den ganzen Tag über praktisch hinter Schloss und Riegel gehalten.«
»Sie kann mich nicht ununterbrochen im Auge behalten. Und sie kann mich nicht daran hindern, zur Tür rauszugehen.«
»Warum musst du denn unbedingt weg? Sag mir, was du vorhast!«
»Warum sollte ich?«, entgegnete sie trotzig. »Was spielt denn das für eine Rolle?«
Es war eine Herausforderung, seine Loyalität über das Gebot der Vernunft zu stellen, und Kit wusste plötzlich, dass er es nie wieder gutmachen könnte, wenn er sie jetzt enttäuschte.
»Meine Güte, der Typ ist echt mit allen Wassern gewaschen.« Kevin Rasansky schüttelte den Kopf mit einer Mischung aus offensichtlichem Abscheu und widerwilliger Bewunderung. Er kam gerade aus dem Vernehmungsraum, wo Babcock schon seit Stunden Piers Dutton verhörte, und offenbar glaubte er, in Gemma
Weitere Kostenlose Bücher