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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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geschrumpft wirkte, viel weniger furchterregend, als ihre Fantasie ihn nach seinem Überfall im Pub gemalt hatte. Seine Brust schien eingesunken, und er war unrasiert, doch seine Augen funkelten so wild, dass ihre vage Hoffnung, er könne gekommen sein, um sich zu entschuldigen, sich sogleich zerschlug.
    Seine Kiefermuskeln arbeiteten, als er sagte: »Sie haben ihn mitgenommen. Piers. Aufs Revier. Sie sagen, er hätte diese Frau betrogen, die gestorben ist, und noch andere. Piers!« In seiner Stimme mischten sich Empörung und Ungläubigkeit.
    »Caspar …« Sie streckte die Hand aus, von plötzlichem Mitleid gerührt, doch sein Arm zuckte zurück, als hätten ihre Finger ihn verbrannt.
    »Das ist dein Werk!«, fauchte er sie an. »Du würdest doch vor nichts zurückschrecken, um dich an ihm zu rächen, weil er dich hat abblitzen lassen – auch wenn du damit die Firma ruinierst, mich ruinierst. Und jetzt hat ihn die Polizei unter Mordverdacht festgenommen.«
    Juliet ließ ihre Hand sinken. Also hatte sie von Anfang an recht gehabt. Die Polizei hätte Piers nicht aufs Revier mitgenommen, wenn sie nicht Beweise gefunden hätte, die ihren
Verdacht bestätigten. Ein Gefühl des Triumphs durchzuckte sie, doch im nächsten Moment war es schon wieder verflogen, und sie fühlte sich nur noch müde und unendlich traurig. Sie war rehabilitiert, aber sie konnte sich nicht darüber freuen, nicht bei diesem hohen Preis. Doch das Merkwürdigste war, dass ihre Angst verschwunden war.
    Piers konnte ihr jetzt nichts mehr antun, und indem Caspar ihn wider jede Vernunft immer noch verteidigte, hatte er seine Macht über sie verloren.
    »Ich wollte dir nicht wehtun, Caspar. Es tut mir leid.«
    »Leid? Du Miststück! Du …«
    Mit erhobener Hand stoppte sie seinen hasserfüllten Ausbruch und kam sich dabei vor wie Moses, der das Rote Meer teilt. Ihr Kopf war plötzlich ganz klar. »Ich habe die Scheidung eingereicht. Du wirst von meiner Anwältin hören. Aber zuerst will ich, dass du das Haus räumst. Ich werde mit den Kindern vorläufig wieder einziehen, bis die Dinge geklärt sind. Ich gebe dir vierundzwanzig Stunden, um deine Sachen zu packen. Wenn du uns danach noch einmal zu nahe kommst, außer zu vereinbarten Besuchen bei den Kindern, werde ich ein Kontaktverbot gegen dich erwirken.«
    Er starrte sie verständnislos an. »Du kannst doch nicht …«
    »Doch, ich kann.« Sie sah ihrem Mann ein letztes Mal in die Augen, dann ging sie ins Haus zurück und schloss die Tür.
    Erst als sie sich umdrehte, sah sie Lally am Fuß der Treppe stehen.
     
    »Ich hab zwei von den großen Häusern!«, kreischte Toby und hätte vor lauter Aufregung fast das Brett vom Tisch gefegt. »Ich hab gewonnen!«
    »Quatsch, du kannst noch gar nicht gewinnen«, klärte Sam ihn auf. »Erst wenn alle anderen kein Geld mehr haben, und das kann Tage dauern.«

    Hugh, der Toby bei seinen Zügen geholfen hatte, schritt ein. »Ist schon gut, Toby. Du kannst noch viel mehr Häuser und Bahnhöfe kaufen, und vielleicht schlägst du uns am Ende tatsächlich alle.« Er zwinkerte Kit über den Kopf des kleinen Jungen hinweg zu, und Kit grinste zurück.
    Er zehrte immer noch von ihrem gemeinsam verbrachten Vormittag. Sie hatten die Schleusentreppe in dem hübschen Städtchen Audlem südlich von Nantwich erkundet. Hugh – er hatte immer noch ein komisches Gefühl, wenn er ihn »Großvater« nannte – hatte sich mit ihm unterhalten wie mit einem Erwachsenen, hatte ihn dazu gebracht, über seine Ansichten und Interessen zu reden, und dann war er mit ihm zum Mittagessen in ein Pub in dem Dorf Wrenbury gegangen. Nur die Erinnerung an Annie Lebow und die Horizon hatte Kits Freude ein wenig getrübt, und er hatte sich große Mühe gegeben, sie zu verdrängen.
    Jetzt, als Hugh Toby aufforderte, noch einmal zu würfeln, versuchte Kit sich auf das Spiel zu konzentrieren, doch er musste immer wieder an die lauten Stimmen denken, die er vor ein paar Minuten gehört hatte, und das anschließende Knallen der Haustür. Auch Hughs Blick ging immer wieder zur Wohnzimmertür, und Kit spürte, dass seine scheinbare Begeisterung für die Monopoly-Partie wenigstens zum Teil ein Versuch war, sich von der Szene abzulenken, die sich vor der Haustür abgespielt hatte – was immer dort passiert sein mochte.
    Und wo war eigentlich Lally?, fragte sich Kit. »Sam«, flüsterte er, »übernimmst du mal eben für mich, ich muss aufs Klo.« Und schon war er aufgesprungen und zur Tür

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