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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Strähne ragte wie eine Feder in die Höhe. Die Nähe seines schlafenden Stiefbruders beruhigte Kit.
    Es war ein friedliches Zimmer, die Wände ultramarinblau gestrichen und mit Weiß abgesetzt. Kit fragte sich, ob es schon so ausgesehen hatte, als sein Vater noch hier geschlafen hatte. Er sah ein paar gerahmte Drucke von berühmten Lokomotiven, aber der größte Teil der Wandflächen wurde von Bücherregalen eingenommen. Am Abend zuvor hatte er die Titel kurz überflogen: viel Science-Fiction, Fantasyromane und Krimis, aber auch Kinderbuchklassiker wie Arthur Ransomes Der Kampf um die Insel und die Narnia-Reihe, daneben Geschichtsbücher, Biografien und Darstellungen berühmter Prozesse. Hatte Duncan das alles gelesen, oder benutzte Hugh das Zimmer heute als zusätzliches Lager?
    Tess hob den Kopf und gähnte, wobei sie ihre kleine rosa
Zunge sehen ließ. Dann streckte sie sich und kam über die Matratze getapst, um es sich an Kits Seite gemütlich zu machen. Mechanisch zog er einen Arm unter der Decke hervor, um sie zu streicheln, und ließ seinen Gedanken weiter freien Lauf. Wie war sein Vater gewesen, als er mit dreizehn in diesem Zimmer geschlafen hatte? Hatte er damals schon gewusst, was er mit seinem Leben anfangen wollte? Hatte er Geheimnisse vor seinen Eltern gehabt und deswegen Ärger bekommen? Hatte es ein Mädchen gegeben – so wie Lally?
    Aber vor dieser Vorstellung schreckte er zurück, und seine Hand verharrte reglos auf der Flanke des Hundes. So durfte er nicht über Lally denken. Das war nicht in Ordnung. Sie war seine Cousine, und sein Gesicht glühte vor Scham, wenn er daran dachte, dass irgendjemand in der Familie herausfinden könnte, was er fühlte.
    Außerdem war ihm gestern Abend klar geworden, wie lächerlich er sich bei dem Treffen mit Leo Dutton gemacht hatte.
    Die Probleme hatten schon begonnen, nachdem sie bei Lally zu Hause angekommen waren. Sie waren alle in Sams Zimmer gewesen und hatten mit mehr oder weniger Begeisterung seine Sammlung von Star-Wars-Figuren bewundert, als Lally plötzlich hörte, wie die Haustür aufging.
    »Mein Papa«, hatte sie gesagt und war rasch aus dem Zimmer geschlüpft, als hätte sie nur darauf gewartet. Dann hatte Kit laute Stimmen gehört, ohne dass er verstehen konnte, was gesagt wurde, und nach wenigen Augenblicken war Lally wieder hereingekommen, wesentlich langsamer und mit verschlossener Miene.
    Sam, der ein ähnliches instinktives Gespür für die Stimmungen seiner Schwester zu haben schien wie Toby für die seines Bruders, hielt mitten in seiner Demonstration eines X-Wing-Fighters inne und sah Lally fragend an.

    »Mama und Papa streiten sich mal wieder«, meinte Lally achselzuckend, als sei das die natürlichste Sache der Welt, und ließ sich lässig auf Sams Bett fallen. Aber von diesem Moment an war die Atmosphäre spürbar angespannt, und Lally begann ihren Bruder so gnadenlos zu triezen, dass Kit unwillkürlich den Jungen in Schutz nahm.
    Das Abendessen war noch schlimmer gewesen. Es war eine Erleichterung, als das Essen endlich vorbei war und Lally ihn beiseite nahm. »Komm«, flüsterte sie, »wir sagen, dass wir vorgehen, um Plätze in der Kirche zu reservieren, dann haben wir noch locker Zeit, um eine zu rauchen.«
    »Zu rauchen?«, platzte Kit heraus, ehe er sich darauf besinnen konnte, seine Überraschung zu verbergen.
    »Tu nicht so schockiert.« Lallys verschwörerisches Lächeln wurde zu einem Schmollen. »Erzähl mir doch nicht, dass du dir nicht ab und zu mal eine ansteckst.«
    »Nein«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Ich mag es einfach nicht.« Er konnte ihr ja schlecht sagen, dass der Geruch ihn an seine Großmutter Eugenia erinnerte und dass ihm davon regelrecht übel wurde.
    Lally betrachtete ihn kühl. »Na ja, mach, was du willst, solange du uns nicht verpfeifst. Und, bist du mit von der Partie?«
    »Ja, okay«, hatte er eingewilligt und gehofft, dass sie nicht mehr so kratzbürstig wäre, wenn sie einmal das Haus verlassen hätten. Zu seiner Überraschung hatte Sam nicht gefragt, ob er mitkommen dürfe, doch er hatte Lally einen Blick zugeworfen, den Kit nicht deuten konnte.
    Er hatte allerdings kaum Gelegenheit, die Zweisamkeit mit Lally zu genießen, denn ihre Mutter hatte ihr eine Tüte mit den Resten des Abendessens für eine ältliche Nachbarin mitgegeben. Nachdem sie den Auftrag erledigt hatten, schlugen sie den dunklen Fußweg Richtung Stadt ein, und Lally drängte zur Eile. »Ich bin mit jemandem verabredet, beim

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