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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Crown –
das ist der alte Gasthof«, erklärte sie, als sie den Marktplatz erreichten. Und als der hoch aufgeschossene blonde Junge aus dem dunklen Torbogen an der Seite des alten Gasthauses ins Freie trat, war Kit überrascht. Er hatte ein Mädchen erwartet und war mit einem Schlag ernüchtert.
    »Das ist also dein kleiner Cousin«, sagte der Junge anstelle einer Begrüßung. Er zog eine Schachtel Zigaretten aus der Jackentasche, gab Lally eine und hielt die Packung dann Kit hin.
    Kit stopfte die Hände noch tiefer in die Taschen und schüttelte den Kopf. »Nein, danke.« Und an Lally gewandt fragte er: »Wie heißt dein Freund?«
    »Leo.«
    »Dann eben nicht, Weichei.« Leos Grinsen ließ die ebenmäßigen weißen Zähne in seinem schmalen Gesicht aufblitzen. »Er glaubt, er hat Manieren.«
    Kit wusste, dass es darauf keine gute Erwiderung gab. Doch zu seiner Überraschung war es Lally, die ihn aus seinem Dilemma erlöste. »Lass das, Leo«, sagte sie. »Wir haben nicht viel Zeit.« Sie kramte in ihrer Handtasche nach einem Feuerzeug.
    »Hast du meinen Stoff mitgebracht?«, fragte Leo in aggressivem Ton, als sei er über ihre mangelnde Loyalität verärgert. Lally blickte überrascht zu ihm auf.
    »Wir haben uns doch gerade erst von daheim loseisen können, Mann. Und es ist schließlich Heiligabend. In einer halben Stunde müssen wir neben unseren Eltern in der Kirche hocken. Das ist ja wohl ein bisschen heftig, sogar für deine Verhältnisse.« Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr und hielt dann die hohle Hand schützend über die Zigarette, während sie mit der anderen das Feuerzeug anknipste. Für einen Moment war ihr Gesicht in einen orangefarbenen Schein getaucht, doch ihre Augen blieben im Dunkeln.
    Der beißende Geruch des brennenden Tabaks breitete sich in der kalten Luft aus, und Kit musste sich beherrschen, um
nicht einen Schritt zurückzuweichen. Als Leo nach dem Feuerzeug griff und sich vorbeugte, um seine Zigarette anzuzünden, nutzte Kit die Gelegenheit, sich den Jungen etwas genauer anzusehen. Er schätzte, dass Leo kaum älter war als er selbst, seiner auffallenden Größe zum Trotz. Seine Figur wirkte irgendwie in die Länge gezogen, als wäre er so schnell gewachsen, dass seine Knochen nicht nachkommen konnten. Sein blondes Haar war kurz geschoren, und er trug eine Marinejacke aus blauem Wollstoff, wie Kit sie in teuren Londoner Geschäften gesehen hatte. Er schämte sich plötzlich für seinen zweckmäßigen gefütterten Anorak, eine Nummer zu groß gekauft, damit er über die Jacke seiner Schuluniform passte. Er sah aus wie ein stinklangweiliger Streber – schlimmer noch, wie ein Streber mit Klamotten aus dem Secondhandladen.
    »Ihr seid also in einer Klasse?«, fragte er, bemüht, sein Unbehagen zu kaschieren, indem er die Initiative ergriff.
    Lally antwortete, ohne ihn anzusehen. So groß sie auch vorher getönt hatte – jetzt drückte sie sich mit dem Rücken an den Torbogen der alten Kutscheneinfahrt und ließ den Platz nicht aus den Augen. »Mmh. Wir gehen auf die Marlborough School, nicht auf die Gesamtschule. Wir sind auf dem Weg in die Stadt dran vorbeigekommen. Aber wir waren auch schon zusammen auf der Grundschule. Eigentlich kennen wir uns schon ewig – praktisch, seit wir in den Windeln gelegen haben.«
    »Du vielleicht«, spottete Leo. »Ich kann mich nicht erinnern, die Dinger je getragen zu haben.«
    War es möglich, dass die beiden gar kein Paar waren?, rätselte Kit. Wenn sie sich schon so lange kannten, dann waren sie vielleicht einfach nur Freunde, die öfter etwas zusammen unternahmen. Sie hatten einander nicht berührt und auch keine Anstalten gemacht, sich irgendwohin zu verdrücken, um ein bisschen zu knutschen. Kit schöpfte neue Hoffnung, auch
wenn er lieber nicht so genau darüber nachdenken wollte, worauf er eigentlich hoffte.
    »Ach du Scheiße«, zischte Lally und riss Kit damit aus seinem Tagtraum. Ehe er etwas erwidern konnte, packte sie ihn und zog ihn in den dunklen Torbogen zurück, wobei sie ihre halb aufgerauchte Zigarette fallen ließ. »Da ist mein Opa. Mit deiner Mutter.«
    »Sie ist nicht meine Mutter«, antwortete Kit automatisch und fühlte sich sofort schuldig, weil er Gemma so offen verleugnete. »Ich meine …«
    »Haben sie uns gesehen?«, unterbrach ihn Lally mit Panik in der Stimme.
    Leo spähte unauffällig auf den Platz hinaus. »Glaube ich nicht. Sie sind weitergegangen, aber die Frau hat sich umgedreht. Das ist also deine

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