So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
prüft das Ergebnis. Er grunzt, worauf der Buchhalter dir einen kleinen Teil der Scheine, die du abgeliefert hast, zurückgibt. Das ist deine Vergütung, die sich aus einem nominellen festen Lohn, einer prozentualen Provision und einem variablen Bonus zusammensetzt, basierend darauf, wie dein Meister die Geschäfte und deine Arbeit dafür einschätzt. Du versuchst, während du das Bündel in die Tasche steckst, den Betrag nach dessen Dicke und den Farben seiner einzelnen Scheine abzuschätzen. Zählen wirst du es später.
Du willst schon gehen, als dein Meister dir sagt, du sollst mit ihm fahren, eine ungewöhnliche und beunruhigende Aufforderung. Du folgst ihm zu seinem Wagen, wo er das Handy herauszieht und eine Nummer wählt, während er dem Fahrer sagt, wo es hingeht. Sein Leibwächter beobachtet dich genau im Rückspiegel.
Dein Meister führt sein Telefongespräch in einem ländlichen Dialekt, wobei ihm nicht bewusst ist, dass du, den er für einen Stadtburschen hält, ihn bestens verstehst. Aber selbst wenn dein Meister es wüsste, würde es ihn nicht interessieren. Er gebraucht den Dialekt nicht, um sein Gespräch geheim zu halten, sondern weil der Zulieferer, den er am Telefon hat, dadurch lockerer wird. Dein Meister war viel in den Kleinstädten der Region, die das wirtschaftliche Hinterland deiner Metropole bildet, unterwegs gewesen, und seine chamäleonartige Fähigkeit, die Sprache der Umgebung anzupassen, hat ihm oft zum Vorteil gereicht. Wahrscheinlich wäre er stolz darauf, wäre er einer von denen, die auf solche Dinge stolz sind. Doch dafür ist er zu praktisch.
Du sitzt schweigend dabei, während dein Meister sich lang und breit über Warenströme und Lieferfristen auslässt. Der Wagen nähert sich den Außenbezirken, passiert die langgezogenen Hügel ausgehobener Erde von riesigen Siedlungsprojekten für die Mittelschicht. Reihen von Strommasten in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung ragen auf, manche nackt, manche mit straffen Kabeln verbunden, gelegentlich einer, von dem Drähte auf die Erde hängen.
Als dein Meister auflegt, fragt er dich nach deiner Meinung über einen Kollegen.
»Ich finde ihn gut«, sagst du.
»Der beste?«
»Einer der.«
»Hat er mich bestohlen?«
Jeder stiehlt, wenigstens ein bisschen. Aber du sagst: »Er ist ja nicht verrückt.«
»Wo war er heute?«
»Ich habe ihn nicht gesehen.«
Er schnauft. »Wirst du auch nicht mehr.«
Die Entschiedenheit im Ton deines Meisters ist wie eine flache Klinge.
Deine Stimme bleibt fest. »Ja, Sir.«
»Du verstehst mich?«
»Ja.«
Der Wagen hält an, und dein Meister bedeutet dir, dass du aussteigen sollst. Du tust es und bleibst dann stehen. Du stellst dir vor, wie der Leibwächter auf deinen Rücken starrt. Du machst keine plötzlichen Bewegungen, hältst die Hände gut sichtbar von dir. Erst als der Wagen davonfährt, drehst du dich um. Du stehst am Straßenrand und wartest in der Hitze auf einen Bus.
Auf der Rückfahrt wirst du von der Masse eines übergewichtigen und daher eindeutig erfolgreichen Gemüsebauern ans Fenster gedrückt. Sein Clan hat jüngst den ersten einer lukrativen Serie von Verkäufen seines gemeinschaftlichen Landes getätigt, an ein Montagewerk für Kühlschränke, das seine Lagerfläche vergrößern will. Er trägt eine vergoldete Uhr und einen dicken Goldring mit drei ungeschliffenen Rubinen darin, die braunschwarz sind wie geronnenes Blut. Noch besitzt er kein Auto. Aber das wird sich natürlich ändern.
Deine Stadt ist riesig, Heimat für mehr Menschen, als in der Hälfte aller Länder der Welt leben, und Woche für Woche kommt eine Bevölkerung hinzu, die der einer kleinen tropischen Inselrepublik mit Sandstränden entspricht, eine Bevölkerung, die allerdings nicht im Auslegerkanu oder einer Dau mit Lateinersegel eintrifft, sondern zu Fuß, per Fahrrad, Roller und Bus. Gerade wird eine Ringstraße mit begrenztem Zugang gebaut, die einen Gürtel bilden wird, über den sich der urbane Bauch schon wölbt, und von der Abfahrten in alle Richtungen aufsteigen und wegschwingen. Dein Bus brettert im Schatten dieser Monumente dahin, staubige neue Arterien, die diese Stadt nähren, die trotz ihrer gewaltigen Ausmaße nur eines ist unter vielen solcher Organe, die im Leib des boomenden Asien pulsieren.
Als du zu Hause ankommst, ist es Abend. Du wäschst deinen Körper mit Seife, wofür du mit einem Plastikeimer Wasser aus einem geradezu unglaublich zurückhaltenden Hahn auffängst, danach
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