So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
wiederaufzunehmen, und nach einer Weile machst du dich auf Arbeitssuche.
Eines Nachmittags, als du mit dem Rad zu einer möglichen Anstellung unterwegs bist, siehst du in einem zerbeulten Kleinwagen, der vor einer roten Ampel steht, ein, wie du meinst, vertrautes Gesicht. Du siehst genauer hin und bist sicher, ja, es ist das hübsche Mädchen. Sie sitzt auf dem Fahrersitz, allein, das Gesicht voller dickem Make-up von einem Fotoshooting. Du lächelst und winkst, doch sie sieht dich nicht, und wenn doch, erkennt sie dich nicht, und als es grün wird, rast sie davon.
Vielleicht noch nicht in jener Nacht, bestimmt aber in jener Woche setzt du dich an einen Straßenstand im Viertel und bittest einen runzligen alten Mann mit Hennahaaren und einem Rasiermesser endlich, dich zu rasieren.
5
LERNE VON EINEM MEISTER
Um effektiv zu sein, bedarf ein Selbsthilfebuch zweierlei. Erstens sollte die Hilfe, die es empfiehlt, helfen. Natürlich. Zweitens, und ohne das ist Ersteres unmöglich, sollte das Selbst, dem es helfen will, eine Vorstellung davon haben, wofür es Hilfe braucht. Mit anderen Worten, damit unsere Zusammenarbeit fruchtet, musst du dich gut genug kennen, um zu verstehen, was du willst und wohin du willst. Schließlich sind Selbsthilfebücher keine Einbahnstraße, sondern eine Beziehung. Also sei nun ehrlich und stell dir folgende Frage: Ist Stinkreichwerden noch immer mehr als alles andere dein Ziel, dein A und O, der in Nebel gehüllte, hochgelegene Laichteich deines inneren Lachses?
In deinem Fall scheint das zum Glück so zu sein. Denn du hast die letzten Jahre damit verbracht, den nächsten wesentlichen Schritt zu tun, und zwar von einem Meister zu lernen. Viele Fertigkeiten können, wie jeder erfolgreiche Unternehmer weiß, nicht an der Schule erlernt werden. Sie erfordern Taten. Manchmal ein ganzes Leben voller Taten. Und wenn es ums Geldmachen geht, gibt es nichts, was den erforderlichen Zeitrahmen für den Sprung von »Meine Scheiße liegt hier, bis es wieder regnet«-Armut zu »Welche meiner Toiletten soll ich nur benutzen«-Wohlstand so sehr komprimiert wie eine Lehre bei einem, der für sich schon alles geklärt hat.
Der Meister, zu dessen Füßen du metaphorisch sitzt, ist ein Mann mittleren Alters mit den langen Fingern eines Künstlers und den weißen Ohrenhaarbüscheln eines Primaten, der gegen tödliche Trommelfellparasiten resistent ist. Er lächelt schnell und lacht langsam, und obwohl die Haut auf seinen drahtigen Unterarmen schon etwas schlaff wird, sind seine Sehnen doch noch geschmeidig. Er besitzt mehrere Gebrauchtwagen, keiner davon groß genug, um Aufmerksamkeit zu wecken, und man sieht ihn in der Regel allein auf der Rückbank, in eine Zeitung vertieft, während vorn der Fahrer und ein scharfsichtiger Leibwächter sitzen. Er selbst kann nicht fahren, da er erst spät und plötzlich zu seinem Wohlstand gekommen ist, doch verfügt er über andere, ausgleichende und lukrativere Talente, nicht zuletzt seine hervorragende Rechenkunst und seine große Empfänglichkeit für Schrifttypen.
Jetzt sitzt er in einem kleinen fensterlosen Raum in seiner Fabrik, einem Art-déco-Bungalow, der still und heimlich in eine Produktionsanlage umgewandelt und dessen Grenzmauer zur Abschirmung exakt so wie die der privaten Nachbaranwesen hochgezogen worden ist. Trotz seines Erfolgs oder vielmehr, so deine Folgerung, zu dessen Untermauerung überwacht er das Zählen seines Geldes persönlich.
Du stehst in der Schlange, wartest, bis du dran bist, deine Taschen gebeult von Geld und Papierschnipseln mit Gedächtnisstützen darauf, die so unleserlich hingekritzelt sind, dass sie fast schon chiffriert wirken. Als der Buchhalter des Meisters dir mit einer Kopfbewegung bedeutet, vorzutreten, händigst du ihm deine Einnahmen aus und trägst ihm mündlich deine Aufgliederung vor, worauf beides mit früheren Zahlen und Bestandsverzeichnissen verglichen wird.
»Der Verkauf ist gestiegen«, schließt du.
»Wie bei allen«, sagt der Buchhalter abwehrend.
»Bei mir mehr als bei den meisten.«
Dein Meister erwähnt einen deiner Kunden. »Letzten Monat hast du gesagt, er sieht keinen Markt für Thunfisch.«
Du nickst. »Das hat er gesagt.«
»Was hat sich geändert?«
»Ich habe ihm ein paar Dosen geschenkt.«
»Wir verschenken nichts.«
»Ich habe sie bezahlt. Ich selbst.«
»Aha. Und?«
»Er hat sie verkauft. Schnell. Jetzt findet er ihn gut.«
Der Buchhalter trägt Zahlen in seinen Laptop ein. Dein Meister
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