So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
Privatklinik behandelt. Die ist sehr gut.«
»Unsere Kliniken sind auch sehr gut. Was für eine Krankheit hat sie?«
»Krebs.«
»Ich mache ein paar Anrufe. Bring in Erfahrung, wo sie hinsollte. Sag dort, dass sie euch erwarten sollen.«
Du hältst lieber den Mund.
Abends fährst du immer mit dem Fahrrad nach Hause zu deinen Eltern und bleibst dort, bis es Zeit wird, dass sie versuchen zu schlafen. Du möchtest sie nicht mit den Kosten für dein Essen belasten, daher bleibst du weiterhin im Wohnheim, und außerdem ist die Mitgliedschaft in deiner Organisation eine Beschäftigung, für die du bezahlt wirst, wenn auch nur bescheiden, und bei der deine Leistung bewertet wird. Gerade jetzt ist es wichtig, dass man sieht, dass du deine Arbeit gut machst. Du nimmst an Versammlungen teil, liest die Literatur der Organisation und hältst Augen und Ohren offen, so wie man dich angewiesen hat. Doch deine Gedanken fliegen zu deiner Mutter.
Ein paar Tage später hast du erneut das Glück, einige Studenten dabei zu erwischen, wie sie in einem Schuppen hinterm Weltraumforschungsbau heimlich Hasch rauchen. Du informierst den Leiter, der dich auffordert, ihn dorthin zu begleiten. Unterwegs betrachtet er amüsiert die grünen Papageien mit ihrem pflaumenblauen Kopf, die in den Bäumen schwatzen. Du vermutest, dass er eine Pistole dabeihat.
Er begrüßt die Rauchenden. Sie sind zu fünft, und ihr seid zu zweit, aber sie haben offenbar große Angst.
»Das ist nicht gut, meine Brüder«, sagt dein Leiter.
»Was, Sir?«, fragt einer von ihnen. Es ist ein schlaksiger Kerl mit Koteletten und einem Unterlippenbärtchen, und sein T-Shirt deutet eine Vorliebe für Heavy Metal an.
Dein Leiter schlägt ihm ins Gesicht und fährt fort, ohne die Stimme zu erheben. »Diese Drogen sind verboten. Sie machen euch schwach. Ihr seid doch intelligente Jungs. Das solltet ihr doch wissen.«
Alle fünf nicken heftig.
Dein Leiter breitet die Arme aus. »Das wird nicht wieder vorkommen?«
Es wird ihm versichert.
Am Tag darauf nennt dein Leiter dir die Details einer Klinik. Sie liegt gleich hinterm Stadtrand, jedenfalls gleich hinter dem, was gegenwärtig als die Stadt angesehen wird, auch wenn die Urbanisierung des Straßenraums das Areal der Klinik wie der Arm eines Tintenfischs mit der Metropole verbindet. Ihr fahrt mit dem Bus hin, du und deine Mutter. Die Klinik ist ein niedriges Gebäude, an Grundfläche, nicht aber an Höhe fast gleich mit dem Gotteshaus, das danebensteht. Ihre Klientel ist arm, und es fehlen jedwede Computer und eine Klimaanlage, sogar saubere Wände und Fußböden wie in der Privatklinik.
Der Arzt, zu dem ihr gebracht worden seid, untersucht deine Mutter rasch und wirft einen Blick auf die Testergebnisse, dann schüttelt er den Kopf. »Wir können ihr nicht helfen«, sagt er zu dir.
»Sie behandeln Krebs nicht?«
»Doch, manchmal. Operativ. Aber wir geben keine Hormone und machen auch keine Strahlentherapie.«
»Was sollen wir tun?«
»Beten Sie. Es liegt nicht in unserer Hand. Die Schilddrüse ist entfernt. Sie könnte wieder gesund werden.«
Deine Mutter ist die ganze Zeit still, wie immer, wenn sie mit Medizinern zu tun hat. Sie besitzen die ungewöhnliche Fähigkeit, dieses Verhalten bei ihr auszulösen. Ihre Macht, in der Zukunft zu töten, indem sie im Jetzt mysteriöse Worte sprechen, raubt ihr das Selbstbewusstsein, und das ärgert sie, eine ansonsten selbstbewusste Frau. Sie will sich ihnen widersetzen, hat aber keine Ahnung, wie das gehen soll.
Eine Zeitlang erscheint der Zustand deiner Mutter weder besonders gut noch besonders schlecht. Die Operationswunde heilt, wird unter dem schützenden Gazeverband dunkler und kräuselt sich. Sie erträgt stoisch Kopfschmerzen, weigert sich meistens, sie zuzugeben, vermag es aber nicht, die Zeichen der Beschwerden, die sie ihr verursachen, in ihren Augen vollständig zu verbergen. Auch hat sie Muskelzuckungen, kleine Spasmen, die unter ihrem Tuch stupsen wie fressende Fische an die Oberfläche eines Teichs. Darin erkennst du aufgrund deiner Onlinerecherchen im Rechenzentrum der Universität die Symptome ihres Mangels an Schilddrüsenhormonen.
Schließlich fleht dein Vater seine Arbeitgeberin um weitere Unterstützung an. Aber die Matriarchin erklärt ihm, das Leben sei eine lange Abfolge von Krankheiten, und sie habe sich ja nun engagiert, um seine Frau zu retten, und das mit Erfolg und großen Kosten, aber man könne sie nicht bitten, sich immer weiter zu
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