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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohsin Hamid
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legst du die schwarze Hose, das weiße Hemd und die schwarze Ansteckfliege an, die ein ehemaliger Schulfreund, der nun bei einer Cateringfirma als Kellner arbeitet, nebst Plastikpass der Security für dich bereitgelegt hat. Deine Erscheinung macht dich, als du dich im Spiegel deines Motorrads betrachtest, aufgeregt und nervös, aber auch erfreut, und du findest, dass deine Kleidung Reichtum und Klasse signalisiert.
    Der Schulfreund erwartet dich wie geplant vor dem Lieferanteneingang eines Privatclubs, der heute Abend auf seinem ausgedehnten Rasen in zwei Pavillons eine Modeschau ausrichtet. Ihr werdet beide von einem uniformierten, einen Metalldetektor mit Ring schwingenden Torwächter auf Waffen abgesucht und dann mechanisch durchgewinkt. Das Hemd, das du trägst, ist dir am Hals eine halbe Nummer zu eng und reibt beim Schlucken, aber diese Unannehmlichkeit ignorierst du. Deine Gedanken sind bei dem hübschen Mädchen.
    Der Zugang zu dem Pavillon mit dem Laufsteg ist dir verwehrt, also wartest du auf der After-Show-Party oder vielmehr dem After-Show-Empfang, denn die eigentliche After-Show-Party, das ist dir gar nicht klar, findet erst viel später im Haus des Modedesigners statt, dessen Arbeiten gezeigt werden. Und so läufst du im zweiten Pavillon mit seinen provisorischen Theken und Tischen und noblen, halb zurückgesetzten Salons herum in der Hoffnung, dass sie erscheint, auf der linken Hand ein Tablett mit Gläsern balancierend, bedenklich, muss man sagen, denn so etwas hast du noch nie gemacht.
    Das hübsche Mädchen ist in ihrem Gewerbe inzwischen eine Person von einigem Gewicht, auch wenn dieser Ausdruck in einem Beruf, der durch seine »Weniger ist mehr«-Vorliebe beim Körperlichen charakterisiert ist, zugegebenermaßen etwas seltsam ist. Sie ist noch nicht ganz ein Model aus der ersten Reihe, aber Fotografen, Designer und andere Models kennen sie gut, ebenso die Leser der Wochenendbeilagen von Lokalblättern mit ihren vielen Fotos, eine Gruppe, die wegen deines bleibenden Wunsches, sie zu sehen, nicht selten auch dich einschließt. Sie verdient genug, um sich eine eigene Wohnung, ein bescheidenes, aber zuverlässiges Auto und ein Hausmädchen leisten zu können, das bei ihr wohnt und kochen kann, was bedeutet, dass sie so viel wie ein Bankangestellter ihres Alters und vielleicht doppelt so viel wie du verdient, und das noch ohne Berücksichtigung der Geschenke, die sie von ihren zahlreichen und stark fluktuierenden Verehrern erhält.
    Nun tritt sie an der Seite eines dieser Herren ein, des gut aussehenden, wenngleich spätzündenden und aggressiv unsicheren Sohns eines Textilmagnaten, wobei sie es zustande bringt, beim Gehen gleichzeitig zu schleichen und den Kopf so zu halten, dass ihr Kiefer auf einer horizontalen, exakt parallel zum Fußboden verlaufenden Ebene ausgerichtet ist, und damit den Effekt herrischer Sinnlichkeit zu schaffen, der dieses Jahr überall gefragt ist.
    Du weißt nicht, wie du sie auf dich aufmerksam machen sollst, und einen Augenblick lang packt dich die Verzweiflung, da dieses Unternehmen so töricht und zum Scheitern verurteilt scheint. Doch sie ist, ungeachtet ihrer lakonischen Miene, hellwach wie eh und je, und so fällt ihr der Blick eines Endzwanzigers auf, der hier nicht recht hingehört, ihr aber irgendwie bekannt vorkommt. Sie löst sich von ihrem Begleiter und nähert sich.
    »Bist du’s?«, fragt sie.
    Du nickst, und plötzlich bist du eng von ihr umschlungen. Die ganze Länge ihres Körpers drückt sich an dich, was dir peinlich ist, da das ja ein öffentlicher Raum ist, dich aber auch erregt. Ihre Berührung erinnert dich an ein Dach im Mondschein. Als sie dich vor den Augen dieser Hunderten von Menschen auf die Wange küsst, fragst du dich, ob sie womöglich noch die deine sein könnte.
    »Ich fasse es nicht«, sagt sie.
    »Es ist unglaublich.«
    »Dann bist du jetzt also Kellner?«
    »Was? Nein, das habe ich bloß … geliehen.«
    Sie lächelt.
    »Ich mache Geschäfte«, erklärst du.
    »Klingt geheimnisvoll.«
    »Im Verkauf. Ich mache einen Haufen Geld.«
    »Freut mich zu hören.«
    Sie schaut sich um. Ihr beide erregt beträchtliches Aufsehen, denn eine solch enthusiastische Begegnung zwischen einem Model und einem Kellner ist ungewöhnlich, aber auch, weil du ständig kurz davor bist, dein Tablett fallen zu lassen. Das hübsche Mädchen hat keinerlei Gewissensbisse, einen Skandal auszulösen, allerdings ist ihr das gesellschaftliche Gefälle zwischen euch

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