So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
attraktiven Wohngebiet in der Nähe eines weithin verehrten Grabmals, das nun tags vom Verkehr erstickt und nachts mit Marihuana parfümiert wird.
Du kommst auf deinem Motorrad, den Riemen deiner Umhängetasche patronengurtgleich über der Brust. Dein Zielobjekt sitzt hinter der Kasse.
»Ich bin nicht interessiert«, sagt er.
»Früher waren Sie es aber.«
»Was ist mit dem anderen?«
»Ich habe ihn ersetzt.«
»Dem habe ich nicht getraut.«
»Dann seien Sie doch froh.«
»Dir traue ich auch nicht.«
Er brüllt seinen Gehilfen an, der einen Stapel Cornflakes-Schachteln umgestoßen hat. Du betrachtest die Regale. Sie sind gefüllt mit einer Mischung ausländischer und heimischer Waren, hauptsächlich Nahrungsmittel, aber auch Reinigungsmittel, Glühbirnen, Zigaretten und, was du nicht erwartet hast, zwei unverpackte Klimaanlagen.
Du zeigst darauf. »So etwas verkaufen Sie?«
»Die sind gebraucht. Ziemlich gefragt, die Dinger.«
Du öffnest deine Umhängetasche und klackst langsam ein halbes Dutzend Dosen und Flaschen auf seinen Ladentisch. »Thunfisch.« Klack. »Suppe.« Klack. »Oliven.« Klack. »Sojasauce.« Klack. »Ketchup.« Klack, klack, klack. »Lycheesaft.« Klack. »Alles importiert.«
»Das habe ich schon alles.«
»Ich weiß. Deshalb zeige ich es Ihnen ja auch. Wie viel bezahlen Sie?«
Er sieht dich angewidert an. »Sag mal. Warum bist du billiger?«
»Wir sind eine große Firma.«
Er höhnt. »Ihr? Aber sicher.«
»Unser Besitzer hat Beziehungen zum Zoll. Er bekommt seine Sachen, ohne Steuer zu bezahlen.«
»Das machen die anderen doch auch.«
»Warum wollen Sie keinen guten Deal?«
»Weil ich keine guten Deals mag, die ich nicht verstehe.«
»Das ist nicht gestohlen.«
»Ich kaufe nicht.«
»Wirklich, nicht gestohlen.«
»Glaubst du, ich bin taub?« Er spuckt dir vor die Füße auf den Boden. »Hau ab.«
»Es gibt keinen Grund, dass Sie …«
»Hau bloß ab, du dreckiger Schweineludenarsch.«
Du starrst ihn an, seinen dicken Bauch, den schmalen kleinen Mund, die schwachen, leicht brechbaren Handgelenke. Aber ebenso ist dir bewusst, dass er die rechte Hand unten hält, unterm Ladentisch, deinem Blick entzogen. Und du spürst, dass Kunden hersehen, dass sein Gehilfe sich am Eingang des Ladens aufgestellt hat, draußen schon Passanten stehen bleiben. In diesen unsicheren Zeiten bildet sich schnell ein Mob, und Mobs kennen keine Gnade. Einen Augenblick bleibst du noch standhaft. Dann erstickst du deine Wut, packst deine Muster ein und trollst dich wortlos.
»Ich kenne eure Masche!«, brüllt er dir nach.
Du versuchst auf der Rückfahrt durch die stille, rauchige Abenddämmerung, nicht weiter über diesen Vorfall nachzudenken. Eure Kosten sind niedrig, weil dein Meister kürzlich abgelaufene Waren zu Schleuderpreisen aufkauft, das Verfallsdatum von der Verpackung radiert und dafür ein späteres Datum aufdruckt. Das ist nicht so einfach, wie es klingt, und es gibt etliche Tricks, um die Tinte so zu entfernen, dass man nichts sieht, auch bedarf es großer Detailgenauigkeit beim Druckvorgang. Die meisten Produkte haben eine eingebaute Sicherheitsspanne, und der Warenumschlag in der Stadt ist in der Regel hoch, daher dürfte das Risiko beim Verzehr dessen, was du verkaufst, begrenzt sein. Ihr steigert lediglich die Effizienz des Marktes und sorgt dafür, dass Waren, die sonst weggeworfen würden, bei reduzierten Verkaufspreisen Käufer finden. Du hast noch nie gehört, dass jemand daran gestorben ist.
Deine Arbeit ist meilenweit entfernt vom schlichten Gewerbe deines Vaters, aber ungeachtet deiner Bedenken würdest du nicht im Traum mit ihm tauschen wollen, weder in seiner besten Zeit, als er meistens guter Dinge und guter Gesundheit zum Anwesen seiner Arbeitgeberin und wieder zurück fuhr, und schon gar nicht jetzt, wo er schnell erschöpft ist und nicht mehr länger als eine Stunde am Stück in der Küche stehen kann. Er hat sich eine Stelle bei einem Paar beschafft, das aus dem Ausland zurückgekehrt ist und kein Personal im Haus haben möchte. Jeden zweiten Morgen keucht er hin, wenn sie zur Arbeit gehen, kocht ihnen das Essen für zwei Abende und friert es ein, gegen Mittag fährt er mit dem Bus wieder nach Hause. Nachmittags und an jedem zweiten Tag erholt er sich dann von der Anstrengung.
Ihr beide seid inzwischen in eine etwas größere Unterkunft gezogen, und du hast deinem Vater gesagt, dass er nun keinen Lohn mehr verdienen muss. Aber er möchte keine Last sein und
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