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haben.«
»Glückstreffer«, mutmaßte Thomas. »Die Ollen, die als Teenies hinter diesen Milchbubis her waren, sind jetzt immerhin auch erwachsen und sollten Besseres mit ihrem Geld zu tun haben, als sich mit neuen CDs und Fan-Shirts einzudecken.«
»Hey, ich war auch mal Fan von einer Boyband«, sagte ich eingeschnappt und nippte an dem Glas Cola, das Thomas mir zwischenzeitlich aufgefüllt haben musste.
»Wie wohl jedes Mädchen auf dieser Erdhalbkugel.«
Ich nickte halbherzig und konzentrierte mich wieder auf die Fernsehbilder und die Musik, die aus Thomas' edlen Standboxen tönte. Nathan, eines der Bandmitglieder von B.Touched, lächelte charmant in die Kamera. Vor mehr als fünfzehn Jahren hatte dieser, zugegebenermaßen recht aufgesetzt wirkende Blick, hunderttausende Mädchenherzen zum Schmelzen gebracht. Und ich war damals eine von ihnen gewesen …
Ein einziges Mal hatten Isa und ich die Jungs sogar backstage getroffen. Und zwar
so richtig
getroffen. Wir waren nicht nur zwei verknallte Teenies unter Dutzenden gewesen, die es zum Ärger der Securities auf eine geschlossene Party geschafft hatten, um ihre Idole aus der Ferne anzuhimmeln. Nein, wir waren ihnen wirklich ganz nah gewesen. Isa hatte damals bei ihrem Vater – der zu dieser Zeit frisch von ihr und ihrer Mutter getrennt lebte – so lange auf die Tränendrüse gedrückt, bis er uns VIP-Bändchen organisiert hatte. Bei dem Hype, der um B.Touched geherrscht hatte, konnte das selbst für einen allseits beliebten Branchenkenner wie ihn kein leichtes Unterfangen gewesen sein, denn es war das erste und letzte Mal, dass wir in den Genuss dieses Sonderstatus gekommen waren.
Die Show hatten wir uns von ganz vorne aus dem Pressegraben ansehen dürfen und beim Refrain eben dieses Songs, der gerade im Fernsehen zu hören gewesen war, hatte Jamie in meine Richtung gesehen. Ich war heute nicht mehr ganz sicher, ob er damals wirklich mich angelächelt hatte, oder doch eher die um einige Jahre ältere Journalistin, die direkt hinter mir gestanden und ihm verführerisch zugezwinkert hatte. Doch damals war ich felsenfest davon überzeugt gewesen und der Blick in Jamies unendliche, goldbraun gesprenkelte Augen, während er die gefühlvollen Zeilen des Liedes gehaucht hatte, zählte in jenem Moment zu den besten Dingen, die mir bis dahin passiert waren. Und es kam sogar noch besser: Als die Jungs zwei Stunden später aus der Garderobe in den Backstagebereich gekommen waren, hatte Jamies Blick ganz unbestritten tatsächlich nur mir allein gegolten.
Beim Blickkontakt war es leider auch geblieben, denn obwohl ich seit meinem vierten Lebensjahr Englisch gelernt hatte, fehlten mir Jamie gegenüber plötzlich die Worte. Ich brachte keinen Ton heraus. Nicht einmal meinen Namen hatte ich hervorpressen können und zu meiner Überraschung war es auch der sonst so frechen Isa nicht anders ergangen. Reichlich überwältigt hatten wir vor den vier Jungs gestanden, uns von ihnen ein Küsschen auf die Wange drücken lassen und ihre Frage – »Wanna take a picture, girls?« – mit einem stupiden Nicken beantwortet. Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin hatten sich B.Touched um uns geschart und Nathan hatte mich in den Arm genommen, während ich versucht hatte, mich näher an Jamie zu drängen, um seinen Geruch einzuatmen. Ein frischer, maskuliner Duft, dazu die Überbleibsel des Vanilleduschgels, mit dem er sich nach der Show gewaschen haben musste. Wie in Trance hatte ich geschnuppert und ihn gleichzeitig betrachtet. Er war genauso, wie die Medien ihn stets vermarktet hatten – scheu, zurückhaltend und weniger fröhlich als die anderen drei. Ernster. Sensibler. Ich hatte mir eingebildet, in seinen Augen lesen zu können, dass er jemand ganz Besonderes war.
»From the minute that I saw your face you made my dreams come true.«
Der Einspieler mit den Musikvideos war zu Ende und auf dem Fernseher erschien wieder die solariumgebräunte Visage des Moderators, der mit den aufgetakelten Tussen auf seinem Sofa um die Gunst der Zuschauer zu wetteifern schien. Im Gegensatz zu den bei jedem Lacher wackelnden, künstlichen Brüsten seiner Gäste würde er der Zielgruppe des TV-Senders eher nicht im Gedächtnis bleiben und alsbald von einem anderen besonders ehrgeizigen Redakteur ersetzt werden. So wie B.Touched von hipperen, jüngeren Bands ersetzt worden waren.
Dabei waren sie so hübsch anzusehen gewesen …!
»Sag mal, würde es dich stören, wenn ich mal kurz online gehe?«,
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