Social Netlove
fragte Thomas und riss mich damit aus meiner hormonellen Nostalgie.
»Bitte? Du bist doch schon die ganze Zeit online.« Ich warf ihm ein schiefes Lächeln zu und zeigte auf das iPhone, das er in den vergangenen Stunden nur wenige Male aus der Hand gelegt hatte.
»Ich müsste aber mal an den Computer. Eigentlich ist unsere Allianz gleich zu einer Schlacht verabredet und ich müsste zumindest ingame mal kurz absagen …«
»Ist schon gut«, sagte ich und nickte Thomas mit vom Wein gewachsenen Verständnis und einem beschwingten Gefühl im Bauch zu.
Ingame
. Was auch immer das heißen sollte! »Ich gehe sowieso lieber malrunter. Morgen früh rufen wieder die guten, alten Kalkulationen und die zankenden Kollegen auf meiner Arbeit …«
»Ich will dich aber nicht rausschmeißen – ich sag das Spiel gerne ab«, beteuerte Thomas.
»Nein, ich muss wirklich ins Bett. Und du kämpfe tapfer deine Schlacht, mein furchtloser LordLoom.«
Ich hievte meinen müden Körper von der an meinem Po klebenden Ledercouch hoch und verabschiedete mich mit einer Umarmung von Thomas, der bereits vor seinem PC Platz genommen und ein Headset aufgesetzt hatte.
»Wir hören uns«, rief er mir noch hinterher, als ich durch die Haustür verschwand und drei Stockwerke tiefer in meine eigene Wohnung schlurfte.
»Oh nein, bitte nicht …« Ich rollte mich in meinem Bett zusammen und zog mir mit der einen Hand die Bettdecke über den Kopf, während ich mit der anderen nach meinem Handy tastete.
Autsch
. Der schrille Weckton hämmerte im Takt meiner Kopfschmerzen und als ich für einen kurzen Moment die Augen öffnete, drehte sich alles um mich herum.
Uahh
…
Endlich fanden meine Finger den »Aus«-Knopf meines Handys und hielten dankbar in der Bewegung inne. Ein schweres Gewicht tapste alles andere als vorsichtig über meinen empfindlichen Magen, hoch bis zur Brust, und steckte schließlich seinen flauschigen Kopf durch den Spalt zwischen der Bettdecke und meinem Körper. Eine kratzige, feuchte Zunge fuhr mir über die Nasenspitze und ich bettete lächelnd mein Gesicht in das seidige Fell meines vierjährigen Katers, der mich jeden Morgen mit einer Schmuseoffensive vom Arbeiten abzuhalten versuchte. Fox ließ seinen rotbraunen Körper energisch auf die Matratze fallen und schnurrte behaglich, wobei ich ihn mit stetigen Bewegungen an Kopf und Rücken streichelte, um nicht wieder einzuschlafen.
Nach viel zu kurzen zehn Minuten, in denen ich zwei Mal eingenickt und nur von Fox' forderndem Miauen geweckt worden war, hievte ich meinen trägen Körper um kurz nach sechs aus den Federn. Zuallererst löste ich zwei Aspirintabletten in einem Glas Wasser auf, dann duschte ich benommen und stellte sowohl Fox als auch mir das Frühstück hin. Einträchtig saßen wir da: Ich an dem klobigen Eichentisch, den meine Eltern mir zum Einzug geschenkt hatten, und mein Kater auf dem Boden, über dem seine winzigen Zähnchen krachend die Futterbröckchen zerkleinerten.
Lustlos kaute ich auf meinem Brötchen mit Käse und Kirschmarmelade herum. Eigentlich war mir gar nicht nach essen zu Mute; und erst recht nicht danach, mich gleich auf den Weg hinaus in den kühlen Märzmorgen zu machen. Ich hörte polternde Schritte, die im Treppenhaus wummerten und immer näher kamen. Thomas ging zur Arbeit.War es etwa schon so spät? Erschrocken warf ich einen Blick auf mein Handy, das aus irgendeinem dummen Grund die einzige funktionierende Uhr in der ganzen Wohnung war. 6:36 Uhr.
Oh nein
.
Heute hatte ich das große Los der Frühschicht gezogen, was bedeutete, dass ich das Büro um Punkt sieben Uhr betreten musste. Nicht, weil mein drahtiger, militärisch angehauchter Boss eine Verspätung bemerkt hätte (er selbst tauchte nämlich selten vor zehn Uhr auf), sondern weil meine über alles geschätzte Kollegin und heutige Schichtgenossin Katja mich sonst den ganzen Tag über damit nerven würde, dass die Jugend von heute kein Pflichtgefühl mehr besaß. Und dieses Gerede wollte ich mir und meinem Brummschädel möglichst ersparen.
Träge schlüpfte ich in meine Bürokleidung - eine dunkle Jeans, ein weißes Shirt und darüber einen schwarzen Blazer. Im Bad griff ich nach einer langen Kette aus hellen und dunklen Perlen mit dazwischengesetzten winzigen Muscheln, die ich selbst gemacht hatte und zupfte meinen kinnlangen, ziemlich pflegeleichten Bob zurecht. Ich fixierte den Pony mit etwas Haarspray und stellte erstaunt fest, dass ich nicht einmal halb so fertig aussah wie
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