Social Netlove
wenn du wieder zurück bist in unserer Welt. Ich hole mir jetzt ein Bier und gucke
alleine
die endlosen Mini-Spiele, die am lustigsten sind, wenn man mit jemandem über die Unbeholfenheit der Kandidaten lachen kann. Ich hoffe, dein schlechtes Gewissen kehrt schnellstens zurück in dieses Raum-Zeit-Kontinuum.
Ich hockte auf dem riesigen Zebrateppich, den ich auf dem hellen Parkettboden meines Schlafzimmers ausgelegt hatte. Bereits am frühen Nachmittag hatte ich damit angefangen, verschiedene Schnittmuster auf einen ganzen Stapel bunter Stoffe zu übertragen und fummelte nun im schwachen Licht der gedämpften Deckenlampe an der missglückten Naht eines T-Shirts herum, das ich passend zu meinen glitzernden Pumps mit ein paar dezenten Pailletten-Highlights bestücken wollte.
Im Hintergrund spielte gerade das Album von
Fall Out Boy
, welches Thomas mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Gedankenverloren summte ich den Liedtext mit, während ich den weichen Jerseystoff mit einigen Nadelstichen aneinanderheftete. Fox strich mir derweil hungrig um die Beine und beobachtete mich aufmerksam dabei, wie ich den Fußboden immer elementarer verwüstete.
Aus dem Chaos ragten meine Möbel wie robuste Überreste eines Erdbebens hervor. Neben meinem Bett thronte der alte Nähtisch,ein Erbstück meiner Oma Traudel, und daneben ein ganzer Schrank voller Stoffbahnen, Borten, Garnrollen, Perlen, Bügelvlies und allerlei anderem Nähzubehör. Auf der anderen Seite erhob sich die Schneiderpuppe aus dem Schlachtfeld, die ich mir mit achtzehn von meinem ersten Azubigehalt gekauft hatte. Darauf ruhte mein Mammutprojekt: Ein bodenlanges Seidenkleid mit perlenbestickter Schärpe, weiten Fledermausärmeln und sommerlichem Ethno-Print. Ich hatte bereits wochenlang daran gearbeitet, doch noch immer war es nicht ganz vollendet – mindestens eintausend gelbe, grüne und orangefarbene Perlen fehlten noch, ebenso wie der schmale Ledergürtel für die Taille. Heute jedoch war ich nicht in der Stimmung, das wohlverdiente Wochenende mit Perlen aufsticken zu verbringen; die letzten eineinhalb Wochen waren schon eintönig genug gewesen.
Ich hatte natürlich
nicht
ernsthaft damit gerechnet, dass Jamie Baker mir zurückschreiben wüde – und trotzdem war ich zu meinem eigenen Ärger doch enttäuscht gewesen, als ich mich am vergangenen Donnerstagmorgen bei Facebook eingeloggt hatte und keine einzige Nachricht in meinem Postfach vorfand. War Jamie noch nicht online gewesen oder hatte er mich, das scheu lächelnde, in Gedanken versunkene Mädchen mit dem welligen, ungestylten Bob und den blauen Augen, einfach nicht interessant genug gefunden, um seine Zeit mit einer raschen Antwort zu verschwenden?
Ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können, hatte ich in den letzten eineinhalb Wochen wie ein verknallter Teenager immer wieder meine Arbeit unterbrochen und mich erwartungsvoll bei Facebook eingeloggt, nur um jedes Mal aufs Neue enttäuscht hinter meinem Computerbildschirm zusammenzusinken. Ich zeigte schon ein ähnliches Suchtverhalten wie Thomas, über dessen ständige Online-präsenz ich immer den Kopf geschüttelt hatte.
Gottseidank schien der vorübergehende Jamie-Wahn seit heute wieder abzuflauen. Ich hatte den ganzen Tag inmitten von dutzenden Stoffen auf meinem Schlafzimmerboden verbracht und an verschiedenen Entwürfen geschnitten und genäht, bis mein Kopf völlig leer gefegt gewesen war. Während Fox vorwurfsvoll miaute, weil ich nicht nur mein, sondern auch sein Abendessen in meinem kreativen Rausch völlig vergessen hatte, betrachtete ich zufrieden mein fertig gesäumtes Shirt, auf das ich jetzt die letzten Highlights sticken konnte. Mehrere lilafarbene Pailletten fanden den Weg auf meine Nadel mit dem durchsichtigen Nylonfaden und ich platzierte sie neben einem kleinen Fluss aus goldenen Perlen.
Perfekt
.
Beseelt erhob ich mich, doch es dauerte einen kurzen Moment, bisich meine eingeschlafenen Füße wieder spüren konnte.
Autsch
. Ich musste eine halbe Ewigkeit in der verkrampften Sitzposition auf dem Boden verbracht haben. Während es in meinen Beinen unangenehm kribbelte, humpelte ich vorsichtig hinüber zu meinem Kleiderschrank und fischte einen Schal aus lilafarbenem Leinenstoff und gelben Spitzenstoffresten heraus. Gemeinsam mit dem T-Shirt drapierte ich das Outfit auf dem kalten Oberkörper einer Schaufensterpuppe, die ich vor einigen Jahren bei einer Geschäftsauflösung günstig erstanden hatte, und betrachtete mein
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