Social Netlove
dann!«
Nach der Mittagspause fühlte ich mich wie ein im Backofen aufgegangener Hefekloß, bis zum Anschlag gefüllt mit Schokoladencreme und fetthaltiger Glasur. Während Franzi zaghaft an einem Donut geknabbert hatte, hatte ich mir im Laufe der letzten halben Stunde die restlichen drei einverleibt – verantwortlich dafür war die Aufregung gewesen, die Jamies Nachricht in mir ausgelöst hatte.
Nun war mir übel und es war, als könnte ich spüren, wie meine Oberschenkel in der Jeans aufquollen.
Schuldbewusst warf ich die Bäckertüte in den Papierkorb und brühte mir einen Kamillentee auf, bevor ich träge mehrere Abholpakete für unsere neuen Lektoren vorbereitete, inklusive diverser Zeitungen, Arbeitsmaterial wie Schere, Textmarker und Kugelschreiber, sowie jeweils einem Abrechnungsbogen und den Clipping-Mappen, in die jeder Lektor seine Ausschnitte einzusortieren hatte. Ab und an warf Katja mir grimmige Blicke zu, weil es ihr wieder einmal nicht passte, dass man mir die Zuständigkeit für die Personalarbeit zugesprochen hatte. Doch heute störte mich das kaum. Während ich alles für den Termin mit den neuen Mitarbeitern vorbereitete, war mein ganzer Körper voller deplatzierter Euphorie über Jamies Nachricht. Am liebsten hätte ich mich sofort daran gemacht, eine Antwort zu schreiben, aber heute war mein Arbeitstag ausnahmsweise so straff durchgeplant, dass Facebook und Jamie warten mussten.
Seufz
…
Um Punkt dreizehn Uhr betraten drei Herrschaften gehobenen Alters unser Büro. Wie auch bei all ihren Vorgängern strahlte ihnen die Begeisterung radioaktiv aus allen Poren, so als wären sie gerade erst auf LSD durch ein Atomkraftwerk spaziert, und sie scheuten sich auch nicht, ihre Freude über den neuen Job durch herzliche Begrüßungen und lockere Sprüche zur Schau zu stellen. Ich gönnte ihnen ihr Hochgefühl von Herzen, denn früher oder später würden sie merken, dass ihre Lektorentätigkeit weitaus weniger aufregend war, als sie es sich vorgestellt hatten. Und reich werden konnte man damit schon gar nicht.
Bei Herrn Franke, einem Frührentner Ende fünfzig, nahmen die Mundwinkel als Erstes ihre normale Position wieder ein. Ich erzählte gerade ein wenig mehr über die Art der Arbeit, die wir zwar im Bewerbungsgespräch kurz erörtert hatten, doch genaue Suchworte – ergo: unsere Kunden – konnten wir natürlich erst preisgeben, wenn wir die Lektoren wirklich angestellt und sie somit vertraglich an die Schweigepflicht gebunden hatten. Vermutlich war es dieser Satz im Einstellungsgespräch gewesen, der bei Herrn Franke eine Art FBI-Vorstellung geschaffen hatte, denn nun, bei der Nennung von Bauer Hilltrup aus Gülzow, konnte er seine Enttäuschung nicht verbergen.
»Haben Sie denn auch, nun ja … bekanntere Kunden, Frau Lau?«
»Wir bekommen regelmäßig neue Aufträge, Herr Franke. Ich bin mir sicher, dass wir für Sie bald etwas Spannenderes finden«, sagte ich lächelnd und zwinkerte dem älteren Herrn zu, der erleichtert durchatmete. Sein Nebenmann, Herr Köppe, schien da weniger anspruchsvoll zu sein.
»Mei, Fräulein Lau, fürs Zeitunglesen bezahlt zu werden, das war immer mein Traum!«
Ich nickte wissend, denn das war so ziemlich der Standardsatz, den ich von Rentnern zu hören bekam. Das Problem war jedoch, dass diese Leute ihre aufgetragenen Zeitungen wirklich
lasen
– und mit ihren Abgabeterminen nicht hinterherkamen, denn fünfzig Zeitungen in vier bis fünf Tagen stellten für viele eine echte Herausforderung dar.
»Herr Köppe, denken Sie aber daran, was ich Ihnen gesagt habe: Erst schauen Sie nach Ihren Suchbegriffen, und wenn Sie das erledigt haben, können Sie so oft und so lange Sie wollen in den Zeitungen lesen. Denn Sie wissen ja, ohne Ausschnitte werden sie
nicht
fürs Zeitunglesen bezahlt.« Wir lächelten uns an und es beruhigte mich, dass auch die Frau an Herrn Köppes Seite nahezu erleuchtet nickte. Die Dame war seine Schwester und teilte offenbar die Leidenschaft ihres Bruders fürs Zeitunglesen.
Nachdem ich die drei mit ihren Starterpaketen versorgt hatte und jedem von ihnen das Versprechen abgenommen hatte, sich bei aufkommenden Fragen bitte sofort zu melden, schlichen die frischgebackenen
Lektoren
von dannen.
Es war bereits fünfzehn Uhr, als ich an Franziska vorbeiging, um die leeren Kaffeetassen unserer kleinen Begrüßungsrunde in die Küche zu bringen. Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum und blickte ungeduldig auf ihr Handy,
»Franzi, kommst du
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