Social Netlove
klar?«
Unsere Auszubildende hob seufzend den Kopf und deutete mit der Hand auf einen bedrohlich hohen Berg aus Klarsichthüllen, in denen sich hunderte Clippings befanden. »Das muss ich heute noch schaffen, hat Norbert gesagt.«
»So, hat Norbert das gesagt?«, fragte ich spitz, doch mein verehrter Herr Kollege tat so, als hätte er unserer Unterhaltung ausnahmsweise mal nicht gelauscht.
»Ja. Und ich muss wirklich weg. Ich wollte den halben Tag Urlaub ja nicht aus Spaß haben.« Franzi klang genauso wütend, wie ihr verkniffenes Gesicht bereits hatte vermuten lassen. Sie tat mir unendlich leid, denn ihre Klausur morgen schien wirklich wichtig zu sein. Langsam sollte sie sich zu ihrer Nachhilfe aufmachen, die sie heute Mittag gerade so um ein paar Stunden nach hinten hatte verschieben können.
»Das Leben ist hart«, mischte sich Norbert nun doch ein und lächelte süffisant.
»Hör nicht auf den. Du machst jetzt, dass du wegkommst«, sagte ich zu Franzi und nahm ihren Mantel aus der Garderobe hinter mir.
»Aber wer macht dann das alles hier fertig?« »Das mache ich. Bei mir ist es ohnehin egal, ob ich noch ein paar Überstunden mehr mache. Also schwirr ab und lern fleißig, okay?«
»Danke, Marie«, sagte Franziska und strahlte mich erleichtert an.
Wow, nicht schlecht
. Ihre Nachhilfe musste verdammt gut sein, denn solch einen Blick konnte bei mir nur die Vorfreude auf etwas wahnsinnig Tolles auslösen. Steckte etwa ein Typ dahinter?
»Wo ist denn deine Nachhilfe?«, fragte ich beiläufig.
»Außerhalb. Deswegen muss ich mich jetzt auch beeilen.« Eilig fuhr Franzi ihren Computer herunter und raste förmlich aus dem Büro hinaus, während ich die Zeitungsausschnitte von ihrem Tisch klaubte und mitsamt den Klarsichthüllen hinüber in mein Büro ging.
»Der Haufen muss heute noch fertig werden«, rief Norbert mir hinterher und ich antwortete ihm mit einem leisen Knurren. Wie konnte man nur so dreist sein?
***
Viereinhalb Stunden später schloss ich endlich die Tür zu meiner Wohnung auf. Ich war bedient und hoffte, Norbert würde in den nächsten Tagen nicht auf die Idee kommen, mich zu reizen. Andernfalls musste ich womöglich mehrere Jahre im Gefängnis verbringen,weil ich ihm seinen nichtsnutzigen Kopf abgehackt hatte. Während der feine Herr sich nämlich bereits um halb sechs aus dem Staub gemacht hatte, hatte ich noch zwei weitere Stunden mit der Aufarbeitung seines Rückstands verbracht. Am liebsten hätte ich ihn, Eduard und Doris alleine gelassen mit ihrem Schlamassel, den sie Herrn Dr. Hagenborn am Freitag dann gerne selbst hätten erklären dürfen. Eine unfertige Abgabe hatte es meinem Wissen nach noch nie gegeben – vielleicht aber auch nur deshalb, weil sich immer ein Dummer fand, der den Karren aus dem Dreck zog. Langsam zu arbeiten war eine Sache, doch damit den Ruf des Büros zu gefährden und fleißige Kollegen mit hinein zu ziehen, das ging eindeutig zu weit.
Als ich in meinen Wohnungsflur trat, kam Fox mir bereits entgegen. Er begrüßte mich wie jeden Abend mit einem kecken Kopfstupser gegen mein Schienbein und einem wohligen Schnurren.
»Na mein Kleiner, nach diesem langen Tag haben wir uns ein Festmahl verdient, meinst du nicht auch?«
Fox blickte mich aus seinen goldfarbenen Augen an und miaute bestätigend, als ich an ihm vorbei in die Küche schlenderte und die Zutaten meines Lieblingsessens aus dem Kühlschrank holte. Während im Kochtopf das Nudelwasser warm wurde, zerteilte ich frische Tomaten, Zwiebeln und Seranoschinkenscheiben, die dann in einer heißen Pfanne landeten. Die Zutaten brieten eine Weile vor sich hin, bis ich eine Tasse Wodka dazu schüttete und den Alkohol vorsichtig anzündete. Augenblicklich wallte eine lilafarbene Flamme auf, die sich ihren Weg durch die Pfanne bahnte und kross gebratenen Schinken hinterließ. Als der Alkohol verkocht war, würzte ich noch etwas nach, dann wanderte die fertige Soße über die Nudeln. Für Fox ließ ich ein paar Stückchen Lachs in sein Schälchen fallen, dann setzte ich mich schon viel entspannter auf mein Sofa und streckte die Beine aus. Ich genoss meine Penne alla Wodka und ließ mich von einer Quiz-Show im Fernsehen berieseln.
Erst als es schon nach elf war, kam mir auf einmal Jamie wieder in den Sinn.
Betreff: AW: Sorry
28. März um 23:17
Hallo J.,
vielen Dank für deine philosophische Ausführung zum Thema ‚Zeit‘. Mit dieser Einstellung würdest du prima in unser Team auf der Arbeit passen. Dort wird man
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