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Social Netlove

Social Netlove

Titel: Social Netlove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Strack
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trat von dem Tor zurück, denn ich versperrte dem älteren Herrn offenbar den Weg. Er nickte dankbar, dann zog er einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und schloss ganz selbstverständlich die Pforte auf. Zwischen silbernen, eisernen und messingfarbenen Schlüsseln baumelte ein goldenes Herz, auf dem in filigranen Lettern der Name Catherine eingraviert worden war. Das war bestimmt die Frau des sympathischen Herrn, der gerade von seinem Brötcheneinkauf nach Hause zurückkehrte.
    »Did you want to go inside?«, fragte der Mann und machte eine einladende Handbewegung.
    »No, thanks. I am not a local«, antwortete ich und machte ein zerknirschtes Gesicht. Von meinem Gehalt könnte ich mir vermutlichnicht mal eine Woche Urlaub in dieser vornehmen Gegend leisten.
    »But you are waiting for someone, aren't you?«
    »Yes, but he isn't home. He lives over there«, sagte ich und zeigte auf die andere Seite des Parks. »He goes out for a long run every Saturday morning.« Ich hatte keine Ahnung, warum ich ihm das erzählte, doch der resolute Mann schien sich über mein unbeholfenes Stottern zu amüsieren.
    »Aye, I know this man. He's very athletic – just like me when I was younger.« Er lachte und ging durch die Eingangspforte. »He went out just a few minutes ago. You just missed him. I wonder why he leaves you waiting out here – I would never have done when I was younger!« Er zwinkerte mir zu und ich errötete ein kleines bisschen.
    »Now come on, you may as well take a seat and enjoy the morning sun while you're waiting for him.«
    Der Mann war wirklich hartnäckig und winkte mich lächelnd zu sich in den Privatpark. Seufzend gab ich nach, obwohl mir eigentlich gar nicht wohl dabei war, mich in den Garten fremder Leute zu schleichen. Ich war letztendlich ja nur eine Touristin, die mit den reichen Schnöseln hier überhaupt nichts zu tun hatte und ich würde es auch nicht toll finden, wenn ein Penner es sich auf meinem Balkon bequem machen würde. Aber andererseits hatte der alte Herr mich ja eingeladen und ging nun gutgelaunt pfeifend neben mir her. Das Klischee vom distanzierten, wortkargen Briten erfüllte er überhaupt nicht. Während wir durch den Park trotteten, erzählte er mir, dass er bereits ein halbes Jahrhundert in Notting Hill lebte und viele Menschen kommen und gehen gesehen hatte. »Especially young people«, sinnierte er und warf mir einen großväterlichen Blick zu. »They become famous and don't care about money. And later on nobody cares about them.«
    Nach dieser ernüchternden Weisheit verabschiedete er sich und deutete auf eine von Sträuchern umgebene Veranda, die zu einer sandfarbenen Hauswand am Rande des Parks gehörte. »If you want to leave, just take the door beside my house over there. I swear nobody will shoot you!« Er lachte gutmütig, dann verschwand er winkend hinter einer Baumreihe und ließ mich auf der hellen Lichtung stehen. Direkt vor mir befand sich eine Parkbank, auf dessen Lehne etwas eingraviert worden war:
For my beloved Catherine, who never wanted to leave Kensington. In everlasting love, Walt
.
    Catherine – dieser Name hatte doch auf dem Schlüsselanhänger des Mannes gestanden. War er Walt? Und war seine Frau … tot? Ich spürte, wie mir ein Kloß in den Hals rutschte. Ich hatte schon einige dieser für Londons Parks so typischen unvergänglichen Liebesbekenntnissegesehen, doch noch nie hatte ich solch eine gewidmete Bank tatsächlich mit einem Menschen aus Fleisch und Blut in Verbindung bringen können.
Der arme Walt
, dachte ich, und blickte dem alten Mann nach, der gerade durch eine Tür im Zaun auf seine Terrasse trat.
    Liebe kannte eben keine Grenzen. Nicht einmal den Tod.
    Und auch keine Entfernung. Genau deswegen war ich ja hier – weil ich die Grenze, die Jamie und mich derzeit noch trennte, überwinden wollte.
    Ich zückte mein Mobiltelefon, das sich längst in ein britisches Netz eingewählt hatte, und sendete eine SMS an Jamie. Ich wusste ja, dass er sein Handy beim Laufen immer dabei hatte, denn mit seinem modernen iPhone konnte er angeblich sogar seine Laufstrecke aufzeichnen und sowohl Geschwindigkeit als auch zurückgelegte Kilometer abfragen. Außerdem hatte Jamie mir während einer ‚Recovery-Period‘, wie er es nannte, auch schon die ein oder andere Nachricht geschrieben. Zu einem Zeitpunkt, an dem andere Leute (wie ich!) genug damit zu tun hatten, vor Erschöpfung nicht urplötzlich umzukippen, konnte er eben noch bequem bei Facebook

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