Social Netlove
immer noch reichlich kühl und ich war in meiner dünnen Strickjacke und dem lachsfarbenen Top viel zu dünn angezogen. Schaudernd hielt ich mich an meiner heißen Teetasse fest und schielte zu Jake hinüber.
Obwohl ich enttäuscht darüber war, dass Jamies kurze Runde sich offenbar spontan verlängert hatte, machte die Anwesenheit seines Cousins dieses negative Gefühl wieder wett. Während wir uns über alles Mögliche unterhielten, stellte ich erfreut fest, dass Jake und ich uns auf derselben Wellenlänge befanden. Wir lachten über die gleichen Dinge und redeten über die schönsten Plätze in London. Da waren wir uns einig: Natürlich das grüne Kensington, der Trafalgar Square mit seinen klaren Wasserbecken und Hampstead Heath, von wo aus man bei gutem Wetter kilometerweit über das Themsental blicken konnte. Wir konnten sogar einige Minuten schweigen, ohne dassdabei eine peinliche Stille entstand.
Immer wieder sah Jake zu mir herüber und das zufriedene Funkeln in seinen dunkelbraunen Augen deutete an, dass er meine Anwesenheit genoss. Dieser durchdringende Blick … Ich wand mich mit zunehmendem Unbehagen darunter. Jake schien direkt in mein Innerstes sehen zu können.
»Könnte ich vielleicht ein wenig im Park spazieren gehen, bis Jamie wiederkommt? Es dürfte ja nicht mehr lange dauern.« Tatsächlich war es bereits halb zwölf und so langsam wurde ich unruhig. Jake machte mich mit seinem Gestarre furchtbar nervös und da war noch etwas anderes …
Ja
, da passierte es schon wieder. Mein Herz schlug schneller, als er mich anlächelte.
Hilfe!
»I'll come with you«, sagte er und ich ertappte mich dabei, wie mir seine klare britische Aussprache einen Schauer über den Rücken jagte.
Beherrsch dich doch endlich, Marie. Du benimmst dich, als hätte man dir dein Gehirn amputiert. Das hier ist nicht Jamie, wegen dem du gekommen bist! Nur weil er so fantastisch aussieht und diese melodische, sanfte Stimme hat, die einem wie eine warme Umarmung vorkommt … Argh!
»You don't have to«, insistierte ich auf Englisch, weil es mir half, die Distanz zwischen uns zu wahren.
»Ich weiß.« Wieder dieses Grinsen. Zwei niedliche Grübchen kamen zum Vorschein.
Meine Güte. Schluss jetzt!
Wir liefen schweigend durch den Park und ich bemühte mich, nicht zu Jake hinüber zu sehen. Stattdessen rieb ich mir hin und wieder die kalten Hände, denn die Bäume hielten die wohligen Sonnenstrahlen von mir fern und auch die wärmende Wirkung des Tees war abgeklungen.
»Frierst du?« fragte Jake in die Stille hinein und musterte mich prüfend.
»Naja«, antwortete ich zögernd, »es ist hier viel kühler als in Hamburg. Ich hätte mich vielleicht besser auf diesen Ausflug vorbereiten sollen.« Tatsächlich hatte ich nicht mal in meiner Reisetasche eine Jacke dabei. Ich konnte wohl froh sein, dass ich in meinem Übermut wenigstens an meinen Ausweis gedacht hatte!
»Heute Nachmittag wird es wärmer werden«, sagte Jake und lächelte. »Bis dahin …« Er blieb kurz stehen und zog seine Sweatjacke aus. » … Hier.«
»Ach was, das ist nicht nötig«, protestierte ich, doch da drückte er mir den schwarzen Baumwollstoff bereits in die Hand.
»Komm schon. Ich sehe doch, dass du eine Gänsehaut hast.«
»Okay … Danke.« Ich schlüpfte in Jakes Jacke, die mir natürlich vielzu groß war. Augenblicklich stieg mir ein spritzig-würziger Geruch von Limetten und Harz in die Nase.
Mhm …
Am liebsten hätte ich mein Gesicht tief in der Kapuze vergraben, um das leckere Parfüm noch intensiver einatmen zu können.
»Also, du bist extra wegen Jamie hergekommen. Ganz schön mutig, so eine weite Reise für jemanden zu tun, den man kaum kennt.«
»Ich kenne ihn gut«, murmelte ich und wurde das unheimliche Gefühl nicht los, dass Jake mir ebenso vertraut vorkam. Die Art wie er redete,
was
er sagte, wie er lachte … Ich hatte stets über Aussagen wie ‚Es war, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen‘ im Zusammenhang mit Liebe auf den ersten Blick gelacht, doch in diesem Moment erschien mir die Möglichkeit, dass es so etwas tatsächlich geben könnte, gar nicht mehr allzu abwegig.
»Du musst ihn sehr mögen, bei all dem Aufwand, den du auf dich genommen hast. Aber sag mal, wie geht das eigentlich? Ihr zwei habt euch doch noch nie gesehen. Was hat dich dazu gebracht, hierher zu kommen?«
Der Typ war ganz schön neugierig. Aber solange wir über Jamie sprachen, wandelte sich wenigstens sein Gesichtsausdruck von verklärt zu
Weitere Kostenlose Bücher