Social Netlove
pechschwarzes Schmutzwasser auf mich heruntergeprasselt. War das etwa der Cousin, an dem Jamie nie ein gutes Haar gelassen hatte? Nein, das musste ein anderer gewesen sein. Dieser Mann hier sah eher sympathisch als rücksichtslos aus.
»But you can come inside and wait for him if you would like«, sagte Jake schnell und öffnete die Tür ein Stück weiter.
»Thank you. If it's okay with you …?«
»Yes, of course. I'm very pleased to meet you.« Endlich lächelte er, und ich ertappte mich dabei, wie ich mich in seinen schokoladenbraunenAugen verlor.
Wow
. Sie waren richtig intensiv, mit langen, dichten Wimpern darüber. Das gute Aussehen lag offenbar in der Familie.
»I'm Marie, by the way.«
»Yeah, I know«, antwortete er und warf mir einen verstohlenen Blick zu.
Woher wusste er denn, wer ich war? Hatte Jamie ihm von mir erzählt?
Ich trat in den geräumigen, langen Flur des Hauses ein und folgte Jake, der mir meine kleine Reisetasche abnahm. Im lichtdurchfluteten Wohnzimmer bot er mir einen Platz auf einer großen, schwarzbraunen Sofalandschaft an und ließ sich selbst in einen ähnlich gefärbten Sessel sinken. Er wirkte nervös und seine Augen flirrten im Raum umher, möglichst darauf bedacht, mich nicht anzusehen. Doch er tat es trotzdem.
Und wie
.
»Well, what a surprise, Marie!« Jake sah mich an und knetete angespannt seine Finger. »Was führt dich nach London?«
»Du sprichst Deutsch?«, fragte ich überrascht. Zu dem Gen für gutes Aussehen hatte es in dieser Familie offenbar auch gleich noch die Begabung für Sprachen dazu gegeben.
»Ein bisschen«, sagte er bescheiden und klang dabei ein wenig wie sein Cousin, mit diesem niedlichen Akzent, der es Briten schwer machte, unser deutsches
ch
auszusprechen.
Ich sah zu Jake auf. In seinem engen, grauen Hemd und der schwarzen Kapuzenjacke darüber sah er mindestens genauso gut aus wie sein Cousin. Sein Gesicht war von der Sonne leicht gebräunt und die zart geschwungenen Lippen waren weder zu schmal, noch zu voll. Kurze, dunkle Bartstoppeln rahmten sie und ließen Jake ein klein wenig verwegen aussehen. Er schien im selben Alter wie Jamie zu sein, also etwa Anfang bis Mitte dreißig.
Jake fragte mich, weshalb ich in London sei – er habe gar nichts davon gewusst (also hatte Jamie ihm tatsächlich von mir erzählt!) – und wie lange ich bleiben wolle. Ich antwortete ihm in der Kurzfassung und erzählte dann von meiner Begegnung mit Walt, der so nett gewesen war, mich in den Park zu lassen. »Wenn ich gewusst hätte, dass du hier bist, hätte ich schon viel früher geklingelt und mich nicht in euren Garten gemogelt. Ich hoffe, es war okay, dass dein Nachbar mich hereingelassen hat. Es ist wirklich schön da draußen.«
»Vor allem bei Sonnenschein. Wenn du möchtest, können wir uns raussetzen. Ich bin bei diesem fantastischen Frühlingswetter ohnehin ungern im Haus.«
Wie Jamie
, dachte ich und nickte einverstanden. Jake holte eine Kanne Tee und zwei Tassen aus der Küche, während ich aufstand und das Wohnzimmer genauer betrachtete. Überall hingen oder standen Fotos von Jamie: gemeinsam mit seinen Kollegen von B.Touched, allein, bei Preisverleihungen oder anderen glamourösen Anlässen. Da war aber jemand ganz schön selbstverliebt! So hatte ich Jamie überhaupt nicht eingeschätzt, denn seinen Facebook-Nachrichten zufolge war seine Vergangenheit als Boygroupmitglied eher ein rotes Tuch für ihn.
Neugierig lugte ich durch eine offenstehende Tür, die in ein Verbindungszimmer führte, an dessen Wänden dutzende goldene Schallplatten hingen. Das war offenbar die Abstellkammer für Jamies Auszeichnungen – aber mich erinnerte es mich mehr an ein Museum oder einen Schrein.
»Na, hast du die Hall of Fame gefunden?«, fragte Jake und grinste verschmitzt. »Erschreckend, oder?«
»Naja«, antwortete ich zögerlich. »Ich dachte nicht, dass Jamie so … nostalgisch ist.«
»Nostalgisch? Du meinst wohl eher: Angeberisch.« Jake runzelte die Stirn und sah aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, entschied sich dann jedoch dagegen und drückte mir stattdessen das Tablett mit der Teekanne, den Tassen und ein paar Gebäckstückchen in die Hände. Nachdem er die Glastür geöffnet hatte, die vom Wohnzimmer auf die Veranda führte, nahm er mir das Tablett wieder ab und ging voraus in den kleinen Garten.
Wir setzten uns auf eine Holzgarnitur am Rande des Zauns, so dass wir den riesigen privaten Park überblicken konnten. Trotz der Sonnenstrahlen war es
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