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Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Titel: Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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von den Todesopfern abgesehen - hatten in der Liquidationszentrale ein Chaos angerichtet und waren verschwunden.
    »Unglaublich«, murmelte Professor Raik. »Ganz und gar unglaublich!«
    Jessardin warf ihm einen Blick zu. »In der Tat. Aber Sie sind sich klar darüber, daß das Projekt Mondstein in Ihren Verantwortungsbereich fällt, nicht wahr?«
    »Ja, mein Präsident.«
    Raiks Stimme klang ergeben. Trotz der deutlichen Anspielung wußte er, daß er keine persönlichen Konsequenzen zu fürchten hatte. Die Katastrophe war geschehen, weil niemand mit der Möglichkeit rechnete, daß die Barbaren das Tor der Schwarzen Götter als Fluchtweg benutzten. Simon Jessardin würde niemanden für einen Fehler zur Verantwortung ziehen, den er selbst hätte erkennen können.
    Aber was wollte er jetzt in der Klinik?
    Wozu hatte Raik die Dossiers der entflohenen Mondstein-Bewohner für das transportable Sichtgerät abrufen müssen? Er kannte jeden einzelnen jedenfalls hoffte er das. Auf Jessardins fragenden Blick unterdrückte er ein Seufzen.
    »Diese beiden hier gehören zu den sogenannten Nordmännern. Der Junge daneben heißt Derek, zwölf Jahre alt. Beryl von Schun. Erein von Tareth. Ein Tempel-Akolyth, Aino...«
    »Gut«, nickte Jessardin. »Ich möchte genau wissen, wie wichtig diese Leute sind.«
    »Wichtig?«
    »Für die anderen, die Geflohenen. Ist jemand dabei, den sie nicht ohne weiteres opfern würden?«
    »Ich weiß nicht recht...«
    »Geben Sie mir bitte die wichtigsten Fakten aus den Dossiers.«
    Raik nahm schweigend das Gerät von den Schultern, programmierte Kennzahlen ein und ließ die Informationen hinter der Sichtscheibe erscheinen.
    Namen, Alter, Geschlecht, Abstammung. Soziogramme, Psychogramme, Ergebnisse von vergleichenden Untersuchungen in bezug auf die historischen Rassen der Erde. Abweichungen. Es gab eine Anzahl dieser Abweichungen von den Prognosen. Die Anthropologen der Universität hatten zum Beispiel bis zuletzt vergeblich auf eine Spaltung der Tieflandstämme gewartet. Zwischen dem nordischen und dem keltischen Element hätte es zu einem erbitterten Konflikt um die Vormachtstellung kommen müssen. Statt dessen hatten sich die Menschen, denen vor zweihundert Jahren von den Wissenschaftlern die Erinnerung genommen und statt dessen eine Art Rassengedächtnis gegeben worden war, schon nach kurzer Zeit gegen die Priesterkaste erhoben. An der Grenze zwischen dem Tempeltal und dem Tiefland entstand die Große Mauer. Und statt nun übereinander herzufallen, scharten sich die Tiefland-Stämme um einen großen dunklen Mann, der den kriegerischen Geist des Nordens mit dem schöpferischen keltischen Erbe verband - den ersten Fürsten von Mornag.
    Simon Jessardins Gedächtnis speicherte mühelos Daten und Zahlen. Er fand nicht, was er suchte. Nicht einer dieser zwanzig Schlafenden besaß offenbar besondere Macht oder mehr Einfluß und Bedeutung als die anderen. Im Grunde nicht verwunderlich. Jessardin war schon früher aufgefallen, daß das Phänomen der Macht, innerhalb der Priesterkaste und ihren Untertanen klar überschaubar, bei den Tiefland-Bewohnern etwas merkwürdig Ungreifbares hatte. Soziologisch gesehen war die zweihundert Jahre währende Herrschaft der Mornag immer ein Wahlkönigtum geblieben, praktisch immer an den ältesten Sohn des Fürsten übergegangen. Sie erbten nicht die Macht, aber sie erbten etwas, das ihnen diese Macht von selbst zufallen ließ. Erlends Sohn war gerade erst zwanzig Jahre alt, und doch lebte in ihm die Kraft weiter, die den ersten Mornag befähigt hatte, die Stämme zu einen.
    Und er benötigte offenbar keinerlei Absicherung seiner Macht, kein Instrument der Gewaltanwendung, um Gehorsam zu erzwingen. Es gab nichts als einen Treueeid, der nicht verlangt, sondern freiwillig geleistet wurde. Niemandem wurden andere Beschränkungen auferlegt als diejenigen, die er selbst wählte. Es gab Gesetze, aber keine Exekutive. Und die Rechtshistoriker der Universität von Kadnos erwarteten immer noch den angeblich zwangsläufigen Zusammenbruch einer Rechtsordnung, die Entscheidungen in Streitfällen den Beteiligten und erst in letzter Instanz dem Urteil der versammelten Sippen überließ.
    Simon Jessardin schüttelte den Kopf.
    Die Dossiers gaben nichts her. Der vage Gedanke, die zwanzig Gefangenen als Druckmittel zu benutzen, hatte ohnehin seine Schwächen.
    »Wenn wir Charru von Mornag selbst hätten!« ereiferte sich der Professor. »Oder wenigstens diesen alten Mann, der sein Lehrer

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