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Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Titel: Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Versammlungssaal vielleicht oder ein ehemaliges Lagerhaus, auf jeden Fall als Versteck für fast hundert Menschen durchaus geeignet.
    Charru glitt zur Tür - einer einfachen Tür, die sich deutlich an der Wand abzeichnete und sich nicht von selbst öffnete, wenn man darauf zutrat.
    Nach ein paar Versuchen gelang es ihm, mit dem merkwürdig gekrümmten Griff zurechtzukommen. Sonnenlicht flutete ihm entgegen, betäubende Hitze, mit Staub gesättigte Luft. Einen Augenblick blieb er reglos stehen und nahm den Anblick der toten Stadt in sich auf. Weiße Häuser, die aus einem Meer von wogendem Gras wuchsen.
    Ein paar schlanke, zerbrechlich aussehende Masten, von denen zerrissene Drähte herunterhingen. Treppenstufen, auf die der Wind den roten Staub aus der Wüste geweht hatte, an einigen Stellen noch der Glanz der weißen, halb überwachsenen Straßen. Schwarz und still schimmerte das Wasser des Kanals dahinter. Charru folgte ihm mit den Augen, bis er die weißsilberne Brückenkonstruktion und die strahlende Silhouette von Kadnos mit seinen schlanken Türmen, dem gläsernen Gespinst des Transportnetzes und den Kuppeln der Sternwarte sah.
    Ein Stück entfernt lag die Liquidations-Zentrale wie ein unregelmäßiger Koloß in der Sonne.
    Rote Helme leuchteten, Polizeijets standen im karmesinfarbenen Staub wie schläfrige Vögel. Der Vollzug hatte das Gebäude umstellt. Wahrscheinlich wußten sie inzwischen schon, daß die Terraner es verlassen hatten. Aber es gab nur wenig Bewegung, nichts wies darauf hin, daß sich irgendwelche Aufmerksamkeit auf die verlassene Siedlung am Kanal richtete.
    Charru wandte sich ab und schloß die Tür.
    Der Raum wirkte plötzlich kleiner, weil sich all die Menschen darin drängten. Die meisten Männer hatten die Wirkung der Droge fast völlig abgeschüttelt. Ein paar von den Frauen begannen, sich verwirrt umzusehen, und die anderen, deren Blicke noch durch alles hindurchgingen, wurden genötigt, sich auf eine Art Bank aus dem weißen Baumaterial zu setzen, die sich an der Längsseite des Raums entlang zog.
    Der Liquidationschef ließ sich erschöpft zu Boden sinken und lehnte den Rücken gegen die Wand.
    Angst nagte an ihm, und er war es nicht gewohnt, so weite Strecken zu Fuß zu gehen. Matt hob er den Kopf, als ihm Charru entgegentrat. Das bronzene Gesicht war unbewegt, ein harter Glanz lag in den blauen Augen.
    »Wohin sind diejenigen gebracht worden, die wir zurücklassen mußten?« wollte er wissen.
    John Rouver blinzelte. Es war schwer, dem Blick dieser saphirfarbenen Augen standzuhalten.
    »In... in die Klinik«, stammelte er.
    »Wozu?«
    »Um... um untersucht zu werden. Man braucht Organe für Transplantationen, Material für die Forschung.« »Sie leben noch?«
    »Ja, aber...«
    »Und wo ist diese Klinik?«
    »Die Klinik? Aber - warum wollt ihr das wissen?«
    Charru von Mornag preßte die Lippen zusammen. Seine Rechte schloß sich um den Schwertgriff.
    »Weil wir sie befreien werden«, sagte er hart. »Weil sie unsere Brüder sind, und weil wir unsere Brüder nicht sterben lassen.«
    *
    Vorbereitungsstation B, Abteilung Liquidation.
    Grünliche Leuchtbuchstaben auf schimmernd weißem Grund, die Lautlosigkeit, durch die schallschluckenden Bodenelemente hervorgerufen, die selbst den gelegentlichen Lautsprecherdurchsagen einen unnatürlich sanften Klang verliehen. Nur das singende Vibrieren der Transportbänder auf den Fluren ließ sich auch im Klinikbereich nicht völlig dämpfen.
    Durch die auseinander gleitende Tür betrat Simon Jessardin die Vorbereitungsstation.
    Ein großer, lang gestreckter Raum. Schlafmulden an einer Seite, Behandlungszellen an der anderen. Die Stirnwand bestand aus Glas, dahinter saß eine Schwester in weißer Tunika hinter dem Wachpult. Aufmerksam beobachtete sie die Meßwerte auf den raumhohen Anzeigetafeln und knabberte einen Würfel Nahrungskonzentrat.
    Professor Raik, wissenschaftlicher Leiter des gescheiterten Projekts Mondstein, betrachtete fassungslos die reglosen Gestalten.
    Fast zwanzig Barbaren.
    Männer, Frauen, einige Kinder. Sie hatten die übliche vorbereitende Behandlung durchlaufen. Reinigung, Desinfektion, intravenöser Ernährungsschub, Einkleidung in weiße Tuniken, die mit den Buchstaben PzL gekennzeichnet waren, was »Patient zur Liquidation« bedeutete.
    Jetzt lagen sie reglos da, Kontaktplättchen mit dünnen Meßdrähten an den schlaffen Gliedern, die weißen Schlafmasken über den Augen. Zwanzig von mehr als hundert! Und die übrigen -

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