Söhne der Erde 03 - Das Schiff Der Hoffnung
eingesetzt. In diesem Punkt war das Urteil gerecht gewesen.
Nur in diesem Punkt?
Conal Nord schüttelte den Kopf und ließ das Band wieder ein Stück weiterlaufen. Das Urteil...Hartnäckige Verweigerung der bürgerlichen Pflichten. Bewaffneter Angriff auf die Staatsgewalt, Mißbrauch von Staatseigentum, Verweigerung psychologischer Heilbehandlung - die Antwort darauf konnte nur Liquidation heißen.
Der Präsident der Vereinigten Planeten hatte dieses Urteil allerdings nicht gegengezeichnet.
In kühlen, messerscharfen Formulierungen wies seine Stellungnahme auf die weit überdurchschnittliche Leistungskraft der Merkur-Siedler hin. Nicht, um sie ihnen zugute zu halten, sondern um dieses erstaunliche Potential für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Simon Jessardin hatte dem Rat empfohlen, das Todesurteil in lebenslängliche Zwangsarbeit umzuwandeln. Eine Begnadigung, die niemandem gnädig erscheinen konnte, der jemals seinen Fuß auf den Boden von Luna gesetzt hatte.
Conal Nord preßte die Lippen zusammen und ließ den Film wieder ein Stück zurücklaufen.
Was er suchte, war Marks Plädoyer. Diese lange, leidenschaftliche Rede, in der er vor den Ohren der gleichmütigen, ein wenig befremdeten Richter die Ideen entwickelte, die er auf dem Merkur hatte, verwirklichen wollen.
Es dauerte eine volle Stunde.
Vermutlich hatte in der gesamten Geschichte der marsianischen Justiz noch nie jemand so lange vor Gericht gesprochen. Conal Nord lehnte sich zurück, starrte in das angespannte, erregte Gesicht auf der Leinwand und konzentrierte sich.
Glänzende Rhetorik...
Aber keine venusische Beredsamkeit und keine noch so brillante Überzeugungskraft konnte ein wissenschaftliches Gutachten erschüttern. Conal Nord hörte zu. Damals, beim erstenmal, hatte er nicht wirklich zugehört, nicht mit der Bereitschaft, nachzudenken und sich Fragen zu stellen. Auch die Richter nicht, wurde ihm klar. Weil es nicht um schuldig oder nichtschuldig ging, sondern allein um das Strafmaß. Ein Reuebekenntnis hätte den Angeklagten vielleicht fünf oder zehn Jahre psychiatrischer Behandlung in einer Klinik eingebracht. Ihre Schuld als solche stand von Anfang an außer Zweifel.
Konnte man so Recht sprechen?
Conal Nord schob die Frage von sich. Er hatte ein Mikro-Band mitlaufen lassen, um das Plädoyer einzuspeichern. Später würde er sich das alles noch einmal in Ruhe anhören und es analysieren. Und diesmal unter dem Gesichtspunkt einer Frage, die er sich damals nicht gestellt hatte: der Frage, ob es möglich war, daß in diesem einen Fall nicht das Gericht und das Gutachten, sondern die Angeklagten recht hatten...
Nords Gesicht wirkte erschöpft, als er die Kabine verließ und das Transportband betrat.
Was er empfand, war fast Angst. Er wußte, daß er dabei war, einen gefährlichen Schritt zu machen. Denn wenn in dem Prozeß gegen die Merkur-Siedler und in dem Urteil ein Fehler steckte, mußte im ganzen System ein fundamentaler Fehler stecken.
Aber er wußte beim besten Willen nicht, was er dann tun sollte.
*
Minutenlang waren die roten Staubschleier so dicht, daß es aussah, als ob die Menschen bis zu den Hüften durch ein geisterhaftes Meer wateten.
Charru wischte sich den ich weiß aus den Augen. Hinter ihm murmelten Karstein und Kormak Verwünschungen. Camelo sah sich nach den beiden Fremden um, die eben noch wie schwankende Schemen auf ihn zugetaumelt waren. Sie mußten gestürzt sein. Vielleicht hatten sie die kleine Gruppe vor sich nicht einmal entdeckt. Die Terraner gingen langsam weiter, und als sich die Staubwolke legte, stolperten sie fast über die beiden Gestalten.
Reglose Gestalten am Ende ihrer Kraft.
Schlaff lagen sie im roten Sand. Ein Marsianer in zerfetzter dunkelgrüner Kleidung, das kurzgeschorene Haar vom Blut einer Platzwunde verschmiert. Neben ihm stützte sich ein mageres braunhaariges Mädchen hoch. Mühsam versuchte es, den Mann an der Schulter zu rütteln. Dann sah sie die Schatten, die sich neben ihr im Sand abzeichneten, und hob erschrocken den Kopf.
Ihre Augen wirkten starr, verschleiert - als sei sie unfähig, wirklich etwas wahrzunehmen. Mit einem Schritt stand Charru neben ihr, ging in die Hocke und setzte ihr vorsichtig die Wasserhaut an die Lippen.
Vermutlich hatte sie noch nie aus einem solchen Behältnis getrunken, aber sie spürte die Feuchtigkeit und griff gierig zu. Ein paar Schlucke, dann fiel sie erschöpft in den Sand zurück. Ihr Begleiter war bewußtlos. Camelo benetzte ihm Lippen
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