Söhne der Erde 07 - Die Herren Der Zeit
half nichts.
Er mußte warten.
Schweigend lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme über der Brust und überließ sich der dumpfen Wut, die in ihm brodelte.
*
Kormak, Karstein und Gillon übernahmen die weitere Wache. auf dem Südturm.
Helder Kerr erschienen die faszinierenden Wunderwerke fremder Technik wichtiger als die Liquidation einiger Geisteskranker und Krimineller - für ihn ohnehin ein ganz normaler Vorgang. Beryl interessierte im Moment mehr, was die marsianische Armee unternahm. Aber es nützte ihnen nichts, wenn alle wie gebannt auf die Meldungen der Wachen warteten. Sie mußten die Rätsel des Labyrinths lösen, und sie durften ihr eigentliches Ziel nicht aus den Augen verlieren, das Raumschiff, das sie vielleicht eines Tages zu den Sternen tragen konnte. Gegen die Mars-Armee konnten sie im Augenblick ohnehin nichts unternehmen. Verbissen machte sich Beryl wieder an die Arbeit, und auch die Gruppe, die ihm zur Hand ging, wurde von seinem Eifer angesteckt.
Charru war tief in Gedanken versunken, als er mit Camelo, Gerinth und Ayno über die Wendeltreppe in den Schacht hinunterstieg.
»Woran denkst du?« fragte Gerinth, während sie über die Steinrampe am Rand der dunklen Quelle glitten. »An den...Traum, den du in der Halle erlebt hast? An die 'Unsichtbaren', von denen Dayel sprach?«
Charru nickte.
Dayel gehörte zur alten Priesterkaste des Tempeltals. Der junge Akolyth war der erste gewesen, der in der Tiefe des unterirdischen Labyrinths etwas Unheimlichem, einer fremden Macht begegnete. Er hatte sich immer noch nicht ganz davon erholt. Manchmal schien sich sein Geist zu verwirren, als lausche er unhörbaren Echos nach. Einmal war er in die Wüste geflohen, blindlings, ohne zu wissen, was er tat. Der Tempelhüter Mircea Shar hatte versucht, den Jungen zurückzuholen, und den Tod unter den Dolchen der Hügelleute gefunden.
»Wo steckt Dayel jetzt?« wollte Charru wissen.
»Bei den anderen, denke ich. «
Camelo zuckte die Achseln. Er und Gerinth hatten sich nach der Totenwache für Mircea Shar um den Jungen gekümmert, damit er nicht allein war und sich mit Selbstvorwürfen quälte. Jetzt schlief er vermutlich in dem großen, von Pfeilern gestützten Gewölbe, in dem sich die Tiefland-Bewohner und die meisten der Tempeltal-Leute zum Schlafen eingerichtet hatten -instinktiv zusammengedrängt im Angesicht unbekannter Gefahren.
Charru ging rasch voran.
Nur wenige Schritte, dann berührte er den Kontakt, der die Tür des großen Raums auseinanderschwingen ließ.
Köpfe wandten sich ihm zu. Nur die Kinder schliefen noch, zusammengerollt unter den silbrigen Foliendecken, die aus der »Terra I« stammten. Die anderen waren wach: die Männer unruhig, weil sie Charrus Fehlen bemerkt hatten, die Frauen beschäftigt mit den alltäglichen Notwendigkeiten, in jener unbeirrbaren, gelassenen Art, die im Sturm von Kampf und Verzweiflung manchmal der letzte verläßliche Damm war. Charru spürte Katalins Blick und lächelte ihr. zu. Er sah sich um, aber er konnte Dayel nirgends entdecken.
Niemand hatte sein Fehlen bemerkt.
Die Priester kauerten in ihrer Nische. Zai-Caroc, Shamala, Beliar, all die anderen. Sie verharrten in ihrem feindseligen Schweigen.
Aber auch Bar Nergal, der Oberpriester, war nicht da.
Charrus Magenmuskeln zogen sich zusammen. Hinter sich hörte er ein scharfes Einatmen und drehte sich um.
»Weißt du, wo sie stecken, Ayno?«
Der Junge preßte die Lippen zusammen.
Auch er hatte zur Priesterkaste gehört, bis Charru und Camelo ihn aus der Klinik von Kadnos retteten, wo der sichere Tod auf ihn wartete. Er hatte die Akolythenrobe abgelegt und den Treueeid geschworen, er trug Lederkleidung und Waffen der Tieflandkrieger und hätte sich für den Fürsten von Mornag in Stücke hauen lassen. Und er haßte und verachtete Dayel, der früher sein bester Freund gewesen war. Denn Dayel hatte - obwohl es sich nicht beweisen ließ - den Dolch geschleudert, der einen der Tiefland-Krieger tötete: Shea Orland. Dayel war immer noch Bar Nergals Kreatur. Charru verstand, was in dem schlanken blondhaarigen Jungen vorging.
Charru verstand auch Dayel. Der Junge war sechzehn Jahre alt. Fast noch ein Kind. Aufgewachsen unter der blutigen Schreckensherrschaft der Priester.
Sekundenlang blieb es still.
Ayno rollte die Schultern. Ja, er haßte Dayel. Sollte man ihn doch seinem Schicksal überlassen! Aber wenn der Fürst von Mornag es wünschte, hätte Ayno notfalls auch sein Leben für den
Weitere Kostenlose Bücher