Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
schwankenden Thron bestieg und Charilan-Chi zu seinen Füßen Platz nahm.
Das Rattengespann setzte sich in Bewegung, die Räder rumpelten. Morgen, überlegte Bar Nergal, würde er die schlittenartigen Fahrzeuge ausprobieren lassen, die sie in der Nähe der Flugzeug-Hangars entdeckt hatten und die den Eindruck machten, besonders im Wüstensand tauglich zu sein. Sie mußten ihre Umgebung erkunden, die Natur beherrschen lernen. Wo sie erschienen, würde man sich vor ihnen beugen. Andere, bessere Untertanen würden ihm, Bar Nergal, dienen, würden sich danach drängen, ihm Paläste zu errichten und ...
Jähes Geschrei unterbrach seine Gedanken.
Die fauchenden, unartikulierten Laute der Katzenfrauen und andere Stimmen, die menschlicher klangen, obwohl sie die gleiche Sprache benutzten. Charilan-Chi hatte erschrocken den Kopf gehoben. Der schwankende Thron näherte sich dem Areal des ehemaligen Raumhafens, und Minuten später waren im letzten Licht der Abendsonne die vier Flugzeuge zu sehen.
Weder Bar Nergal noch die anderen Priester hätten je gewagt, eine der Maschinen zu lenken.
Charilan-Chis Söhnen ließ der »göttliche« Befehl keine Wahl. Daß sie es tatsächlich geschafft hatten, verdankten sie der Ausbildung durch Marius Carrisser - und einer perfekten Technik, die nicht einmal bei Start oder Landung besondere Anforderungen an den Piloten stellte. Eins der Flugzeuge war bei einem Angriff auf die »Terra« von den Energiewerfern getroffen worden. Und jetzt hatte, wie Bar Nergal erkannte, ein anderes bei der Landung ein paar unvorsichtige Katzenwesen mit seinem glühenden Triebwerkstrahl erwischt.
Charilan-Chi wurde bleich, als sie die verkohlten Körper sah.
Einer der Akolythen wandte sich würgend ab, selbst die Priester hatten Mühe, mit dem Anblick fertig zu werden. Der Pilot der Maschine stand bereits auf dem geborstenen Beton. Che mit dem schwarzen Haar und der dunklen Haut, die ihm ein Mann aus Yatturs Fischervolk vererbt hatte, einer der Sklaven seiner Mutter.
Er starrte Bar Nergal an.
Der Oberpriester befahl mit einer Handbewegung, die Leichen wegzuschaffen. Dann stutzte er, als er in den Augen des Jungen las. Ches Kiefermuskeln spielten. Die Katzenwesen, für die Priester nicht mehr als Tiere, waren sein Volk. Er hatte zu oft miterlebt, wie sie sinnlos in den Tod geschickt wurden. Sein Bruder Chaka lebte nicht mehr, seinen Bruder Cris hielt er ebenfalls für tot. Die Auflehnung, die wie ein winziger Funke in Che erwacht war, als Cris damals die Menschen der »Terra« zu warnen versuchte, wurde jäh zur wilden Flamme.
»Sie hätten nicht sterben müssen!« stieß er hervor.
»Ein Unglück,« sagte Charilan-Chi beherrscht. »Dich trifft keine Schuld, also ...«
»Ein Unglück, das nicht hätte geschehen müssen! Wozu brauchen wir jetzt noch Flugzeuge, Bomben und Waffen? Zu welchem Zweck sollen wir uns immer wieder in Gefahr begeben? Ich will nicht mehr!«
Sekundenlang war die Stille tief und lastend.
Che verstummte, erschrocken über seine eigenen Worte. Seine Brüder starrten ihn an: Ciran, der den »Göttern« mit dem Eifer seiner vierzehn Jahre diente, Chan und Croi, die erst nach Chakas Tod und Cris' Verrat gelernt hatten, mit den Flugzeugen umzugehen. Keiner von ihnen hätte gewagt, Bar Nergal zu widersprechen. Auch Che nicht - wären da nicht die leblosen verkohlten Opfer gewesen, an deren Tod er sich schuldig fühlte.
»Du willst nicht mehr?« fragte der Oberpriester schneidend. »Was willst du nicht mehr?«
»Flugzeuge fliegen! Maschinen und Waffen benutzen, von denen nur Unheil kommt! Das will ich nicht mehr.«
Der Trotz in der Stimme des Jungen entsprang dem Wissen, daß er der Strafe so oder so nicht mehr entgehen konnte. Bar Nergal keuchte vor Wut.
»Aufruhr!« krächzte er. »Frevel! Aber ich werde dich Gehorsam lehren. Auf dem Bauch wirst du vor mir kriechen und um Gnade flehen. - Jar-Marlod!«
Der bärtige Priester lächelte, als er die Peitsche aus dem Gürtel zog. Charilan-Chi wurde blaß und machte eine beschwörende Geste.
»Erhabener ...,« begann sie.
»Willst du ihn schützen? Willst du seinen Ungehorsam dulden?«
»Nein, Erhabener, nein! Aber er ist jung. Er meint es nicht so. Ich bitte dich, verschone ihn für diesmal!«
Bar Nergals Blick bohrte sich in Ches Augen. »Du wirst gehorchen?«
Langsam schüttelte der Junge den Kopf.
Angst würgte ihn. Aber in diesen Sekunden sah er den Oberpriester so, wie er war: ein fanatischer, geifernder Greis, der nichts
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