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Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Titel: Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Göttliches hatte. Che brachte es nicht fertig, ihn anzubetteln. Noch nicht. Und als er es dann eine endlose Zeitspanne später doch tat, geschah es mit letzter Kraft, mit leiser, tonloser Stimme und niedergeschlagenen Augen, die nichts mehr von dem Haß verrieten, der in ihm erwacht war.
    Ein blinder, verzehrender Haß, der sich noch im Nebel halber Bewußtlosigkeit zu einem Entschluß formte.
    *
    Im ersten Morgenlicht schien die Insel wie eine zauberische Vision aus dem Dunst zu tauchen.
    Palmen und fremdartige Blüten, perlmuttschimmernder Sand und Felsen, an denen sich schäumend die Brandung brach. Die aufgehende Sonne sog rasch die Feuchtigkeit auf, vertrieb die Dunstschleier und ließ den Himmel in klarem Blau strahlen. Einzelne weiße Wolken trieben gemächlich dahin. Alles war genauso, wie es in den Legenden der Fischer berichtet wurde - und doch spürte Charru nagende Unruhe, als sehe er nur ein verlockendes Trugbild, hinter dem sich eine andere, gefährlichere Wirklichkeit verbarg.
    Lag es an der unklaren Furcht, die er manchmal in dem blassen, angespannten Gesicht des kleinen Robin lesen konnte?
    Der Blinde war noch stiller, noch in sich gekehrter als sonst. Etwas quälte ihn, aber er sprach kein einziges Mal mehr davon, genausowenig, wie Cris von dem unbekannten Wesen sprach; das er im Wasser entdeckt zu haben glaubte. Charru zog jedesmal die Brauen zusammen, wenn er daran dachte. Unsinn, versuchte er sich einzureden. Cris hatte einen Fisch gesehen oder vielleicht ein zufälliges Spiel von Licht und Schatten. Robin litt unter der gespannten Atmosphäre an Bord, die sich aus dem Platzmangel ergab. Selbst die Ruhigsten, Besonnensten unter ihnen reagierten bisweilen gereizt. Jarlon und Erein waren sich über eine Nichtigkeit so heftig in die Haare geraten, daß Karstein sie mit Gewalt daran hindern mußte, aufeinander loszugehen. Immer noch litt ein Dutzend Menschen unter der Seekrankheit, Frauen beklagten sich über alle möglichen Kleinigkeiten, die Kinder, in ihrem Bewegungsdrang eingeschränkt, langweilten sich und waren unleidlich. Lange, begriff Charru, konnten sie nicht zusammengepfercht auf diesem Schiff bleiben. Die Probleme, die Yattur mit Proviant und Trinkwasser hatte, nahmen sich unter diesen Umständen fast erfrischend konkret und handfest aus.
    Die Wasserfässer wollten sie auf der Insel füllen, die vor ihnen lag.
    Aus schmalen Augen betrachtete Charru den langgestreckten, sichelförmigen Buckel mit dem vorgelagerten Riff. Zu wenig Raum für rund hundert Menschen. Aber wie groß mußte eine solche Insel eigentlich sein, um ihnen Platz zu bieten? Wieviel Wasser brauchten sie, wieviel Boden, welche natürlichen Gegebenheiten? Dies hier war eine völlig fremde Welt, die in nichts den Steppen des Tieflands unter dem Mondstein glich und die auch Yattur nur aus Legenden kannte. Eine schöne, sonnige, verlockende Welt, und doch ...
    Charru zuckte zusammen.
    Müßig war sein Blick über die Kette der Riffe geglitten, jetzt starrte er dorthin, wo er im Schatten zwischen den roten Felsen einen hellen Flecken wahrnahm. Lichtreflexe? Ein gischtgekrönter Wasserwirbel? Für den Bruchteil einer Sekunde war Charru sicher gewesen, eine Gestalt zu sehen. Angestrengt spähte er hinüber, mit angehaltenem Atem, dann nahm er jäh die huschende Bewegung wahr.
    Etwas löste sich von dem roten Felsen, glitt pfeilgerade ins Wasser und verschwand in der Tiefe der Lagune jenseits des Riffs.
    Es war eine Gestalt gewesen. Eine menschenähnliche Gestalt, hell schimmernd, geschmeidig wie ein Fisch - und jenen schwarzen Bestien, die Lara Haie nannte, vollkommen unähnlich.
    Charru preßte die Lippen zusammen, als er sich der jungen Venusierin zuwandte. »Lara - glaubst du, daß sich Cris vielleicht doch nicht geirrt hat? Daß so etwas überhaupt möglich ist? Menschen, die im Wasser leben?«
    »Aquarianer ...« Ihre Stimme klang nachdenklich. »Ich weiß es nicht, Charru. Es gibt wenig, was die Kräfte der Evolution nicht möglich machen, wenn der Selektionsdruck entsprechend stark ist. Damals, als die Menschen vor der Großen Katastrophe ihre Ökologie fast völlig zerstört hatten, beschäftigten sich die Theoretiker ganz ernsthaft mit der Frage, ob der Mensch nicht ohnehin am Ende ins Meer zurückkehren müsse. Und wenn nach der Katastrophe überhaupt noch Leben auf der Erde existierte, dann sicher in der Tiefsee. Es könnte sich weiterentwickelt haben, auch an die Oberfläche zurückgekehrt sein - auf abgelegenen, nur

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