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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Wochen hatte es gedauert, um seine Zurückweisung und alles andere zu verdauen und einen Entschluss zu fassen, und ohne Madame Chrysanthemes Bestätigung stünde sie am Ende nicht vor seinem verlassenen Haus. Das zugeben zu müssen, beschämte sie am meisten. Sie setzte ihren Rundgang fort, nicht bereit, aufzugeben und sich eingestehen zu müssen, dass sie zu spät gekommen war.
    Ein eisiger Wind blähte ihren Umhang, als sie die Hintertür entdeckte und darauf zueilte. Graupel traf gleich kalten Nadelspitzen in ihr Gesicht, zusammen mit einer Haarsträhne, die ihr über die Augen wehte. Die Tür war nicht abgeschlossen, und ein Windstoß drückte sie weit auf. Am Ende des gähnend leeren Gangs stand etwas – und es war kein Mensch. Florine hörte das gedämpfte Auftreffen von vier Pfoten auf Stein, vernahm das Geräusch von Krallen und sah ein helles Schemen aus dem Zwielicht auf sich zukommen. Bis sie begriff, dass das helle Fell zu einem ihr fremden Wolf gehörte, war es zu spät die Tür zuzuschlagen. Es blieb ihr nur, die Beine in die Hand zu nehmen und auf den nächsten erreichbaren Baum zuzurennen. An ihm sprang sie in die Höhe, erhaschte einen dicken Ast und zog sich daran hinauf. Aus sicherer Warte spähte sie auf den Wolf hinab, der den breiten Kopf in den Nacken gelegt hatte und zu ihr aufknurrte. Sein Fell besaß die Farbe geschlagener Vanillecreme, durchzogen von vereinzelten dunklen Streifen.
    Sie raffte ihren Umhang um sich, als er nach oben sprang, um nach einem Zipfel zu schnappen, und kletterte höher hinauf. Das hatte ihr wahrlich noch gefehlt. Es war kalt und nass und sie saß in einem Birnbaum, von einem ihr unbekannten Wolf hinauf getrieben, der sie aus freien Stücken gewiss nicht unversehrt entkommen lassen würde. Ihre Ledersohlen rutschten über feuchtes Holz, und sie war gezwungen, ihr Gewicht einem kräftigen Ast anzuvertrauen, den sie zum besseren Halt unter die Achseln klemmte.
    »Geh weg! Verschwinde!«, rief sie wider besseres Wissen hinunter.
    Das Knurren wurde lauter. Einen Verdacht hatte sie bereits gehegt und nun bewahrheitete er sich. Es half absolut nichts, die Tochter eines Vampirs zu sein. Weder brachte es Vorteile, noch konnte sie dadurch einen Werwolf verschrecken.
    Einige wenige harte Birnen hingen noch an den Zweigen. Sie pflückte eine, wartete, bis der Wolf seinen Rundgang beendet hatte und schleuderte die Birne nach ihm. Das kleine Geschoss prallte wirkungslos von seinem breiten Kopf ab. Er schüttelte sich, sah zu ihr auf, und wurde von der nächsten Birne auf das rechte Auge getroffen. Die lächerlichen Treffer, die sie verzeichnen konnte, machten ihn rasend. Er stemmte sich mit den Vorderpfoten gegen den Baumstamm. Borke splitterte unter seinen Krallen, während er nach den auf ihn zielenden Birnen und nach Florine schnappte. Mit jedem Satz, den er machte, schien er ihren Füßen näher zu kommen. Da ihr die Birnen ausgingen, setzte sie auf Lautstärke.
    »Pfui! Böses Tier! Aus! Gustave! Gustave!«
    Es war nicht Gustave, der auftauchte, was ihm wahrscheinlich das Leben rettete, sondern ein Mann, der aus der Hintertür trat. Er trug nur ein Hemd und enge Reithosen, die in kniehohen Stiefeln steckten. Im ersten Moment glaubte sie, in der schlanken Gestalt Cassian zu erkennen. Aber das Haar, das im Wind aufwehte, war tiefschwarz, von dunkelroten Strähnen durchzogen und gehörte zu seinem Bruder Ruben.
    »Gilian! Stop it!«
    Die fremd klingenden Worte hatten keine Wirkung auf Gilian, den Wolf. Er war versessen auf ihre Kalbslederstiefelchen und noch mehr auf die Füße, die darin steckten. Ruben war unter dem Baum angekommen, verschränkte die Arme und sah zu ihr hinauf. Die Kapuze ihres Umhangs war über ihr Gesicht gerutscht, doch er erkannte sie.
    »Ich habe nicht erwartet, dich jemals wieder zu sehen, Mädchen, geschweige denn in einem Baum.«
    Es schien ihn zu erheitern, denn er grinste zu ihr auf. Florine wischte die Kapuze zurück.
    »Dieses Riesenvieh hat mich hinaufgejagt. Treib ihn weg.«
    »Es ist schwierig, einen Wolf zu vertreiben. Er könnte mich beißen.«
    »Dann binde ihn an, Herrgott noch mal!«
    »Ich neige nicht dazu, meine Brüder zu fesseln, obwohl es gelegentlich klüger wäre. Komm herunter. Gilian wird dir nichts tun.«
    Daran hegte sie berechtigte Zweifel angesichts des kräftigen Gebisses, das der Wolf ihr zeigte. Andererseits wollte sie nicht länger in einem Baum hocken und nass werden. Ruben legte sacht die Hand auf den Wolfskopf, was

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