Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
verlassen!«
»Weil du ihn vertrieben hast. Ich kenne dich, Mica. Du hast ihm etwas eingeflüstert, das ihn dazu brachte, Paris zu verlassen. Es ist alles deine Schuld.«
Mica setzte sich auf die Bettkante. Der Frage, die ihn am stärksten beschäftigte, konnte er nicht nachgehen: weshalb war ausgerechnet seine Tochter eine solche Plage? Kinder sollten doch ein Segen sein.
»Ich musste nicht zu Lügen greifen. Die Wahrheit reichte vollkommen aus. Er ist ein Werwolf, du bist meine Tochter, es ist vorbei«, betonte er jede Silbe. »Du wirst ihm nicht nachlaufen. Es würde absolut nichts ändern und dich nur unglücklich machen.«
In ihrem Gesicht arbeitete es. Gram traf auf Hoffnung, und es schmerzte ihn, diesem Kampf beizuwohnen. Es mündete in einem Patt und brachte Florines Stimme zum Beben.
»Er soll mir selbst ins Gesicht sagen, dass er mich nicht liebt.«
»Und das würdest du dann endlich akzeptieren?«
Schwer sank sie gegen einen Bettpfosten und enthielt sich einer Antwort. Ihre Augen wurden zu dunkelblauen Ozeanen aus Tränen.
»Kind, du wirst dich dem nicht aussetzen und dir weiteren Kummer zufügen. Bei diesem Wetter erreichst du dein Ziel ohnehin nicht. Warte bis der Schnee geschmolzen ist.«
»Das dauert bis zum Frühjahr.«
Diese Aussicht knickte ihre Knie ein. Sie sank neben ihm auf die Bettkante. Liebevoll streichelte er über ihren Rücken, eine der ersten Berührungen, die er wagte. Unter seiner Handfläche spürte er ihr Rückgrat und fragte sich, wie sie trotz ihres Heißhungers so schmal sein konnte. Sie rieb sich die Augen und sah ihn an, ohne seine Hand beiseite zu schieben. Die Ablehnung erfolgte durch ihre trockenen, harten Vorwürfe.
»Du sagst das alles nur, weil du nicht willst, dass er mich liebt. Du bist froh um seine Abkehr von Paris, da es nun alleine dir gehört. Das alles hast du geplant. Ich gehe, Mica, ob nun zu Cassian oder irgendwo hin in die Fremde, bleiben werde ich nicht. Ich ersticke in diesem Haus!«
Mica zog seine Hand zurück. »Sag das nicht, Kind.«
»Das willst du nicht hören, nicht wahr? Der Großmeister aller Vampire verträgt es nicht, dass sein übermächtiger Wille ignoriert wird. Aber mich kannst du nicht beugen, dazu musst du mich brechen, Vater.«
»Du widersetzt dich meinem Willen, um deinen eigenen durchzusetzen«, zischte er. »Denkst du, es hilft dir, vor einem Werwolf auf den Knien zu rutschen? Du magst vergessen, wer dein Vater ist, er wird es nicht. Alles willst du verschleudern um seinetwillen. Obwohl er es nicht verdient. Obwohl du weißt, was ich dir geben kann.«
»Das wonach ich mich sehne kannst du mir nicht geben.«
Seine Armbewegung umfasste den Raum, die Kleider in den Schrankkoffern und die Schmuckschatullen, die auf ihrem Platz standen, da Florine sie offenbar hatte zurücklassen wollen.
»Dieser Tand ist nicht alles, was ich dir bieten kann, Kind. Mit Geld kann sich kein Sterblicher den größten aller Wünsche erfüllen, und ein jeder, der der Vergänglichkeit ausgeliefert ist, hegt eine einzige Sehnsucht. Dem Schicksal seines Alterns, der Krankheiten und des Todes zu entkommen.«
Ein Anflug von Faszination huschte über ihre Züge. »Du bietest mir Unsterblichkeit?«
»Unsterblichkeit, ewige Jugend und noch viel mehr, Liebes. In dir fließt das Blut eines sehr alten Volkes. Genug, um dich zu einer Lamia zu machen, zu einem der mächtigsten Geschöpfe, die es auf Erden gab und gibt. Manche unter ihnen, und deine Großmutter gehört dazu, werden sogar von ihrem eigenen Volk gefürchtet. Wenn es vollbracht ist, wird dein Kummer über eine verlorene Liebe nichts mehr bedeuten.«
Sie blickte auf ihre Hände hinab, verschränkte sie, löste sie wieder, ballte sie zu Fäusten. Aus ihr strömte eine Mischung aus Unglaube und Argwohn. Mica kannte die Macht seines Köders. Niemand konnte ihn ausschlagen.
»Du hast zugegeben, dass Vampire nicht unsterblich sind.«
»Wie würdest du eine Lebensdauer über Jahrtausende hinweg nennen?«
»Jahrtausende …«, wiederholte sie tonlos.
Stück um Stück schluckte sie den Köder. Ziellos irrte ihr Blick durch den Raum, ohne eine festen Punkt fixieren zu können.
»Wie geht es vonstatten?«, wollte sie wissen.
»Du müsstest mein Blut trinken. Sehr viel davon.« Endlich fand sie einen Fixpunkt und richtete ihre Aufmerksamkeit gebannt auf seinen Hals. »Es müsste nicht die Halsschlagader sein, Kind. Mein Handgelenk taugt dazu ebenso gut.«
»Wie viel?«, krächzte sie matt.
»Nahezu
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