Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
Nach allem, was ich für Euch getan habe. Vergesst über Euren Ärger nicht die Vorteile, die ich Euch …«
»Ich hab’s ja gleich gesagt«, fiel Aimée ihr ins Wort. »Sie begreift es nicht. Für unsereins ist sie sich zu fein. Wir machen die ganze Arbeit, und sie verachtet uns dafür.«
Aimée war ein exotisches Geschöpf mit einer Haut wie Milchkaffee und der Gestalt einer Gazelle. Ihre Augen funkelten moosgrün.
»Das stimmt überhaupt nicht!«, brauste Florine auf. »Ich verachte niemanden. Ihr hingegen wusstet den Wert meiner Arbeit nie zu schätzen. Allein der Garten ist ein Kunstwerk. Seitdem er gerichtet wurde, erhielt er viel Lob und lockt die Freier in den Nächten hinaus.«
»Gärtner waren es, die den Garten auf Vordermann brachten.«
»Aber meine Idee waren die Pavillons, die Grotte und der Wasserfall. Unsere Gäste vergleichen Madames Garten mit einem Feenreich.« Niemand zeigte sich gebührend beeindruckt. »Wer ist es denn, der immer neue Kostüme ersinnt, der jede Woche ein neues Motto verwirklicht? Ich bin es, und es treibt uns die Freier in Scharen zu.«
»All das konntest du nur durch Madames Geld verwirklichen.«
Florine verdrehte die Augen, entdeckte eine Klette und klaubte sie aus ihren herabhängenden Haarsträhnen. Jede Investition hatte sich ausgezahlt und Gewinn gebracht. Daran wollte Madame Chrysantheme sich nicht erinnern. Die Arme verschränkt stand sie da und überließ ihren Mädchen das große Wort. Schnell fand sich eine andere, die einen Beitrag leisten wollte.
»Der Garten, die Grotte, all die Kissen und Blüten auf den Laken samt deiner Kostüme sind schnödes Beiwerk. An uns liegt es, dass die Freier immer wieder kommen«, befand Kalinka. Durch ihre hohen Wangenknochen und ihre schräg stehenden Augen war sie ebenso exotisch wie Aimée.
»Woher soll sie das wissen?«, warf Sybille mit dunkler Stimme ein. »Sie hat keine Ahnung, worauf die Freier aus sind. Du hast noch nie mit einem im Bett gelegen, Florine. Wonach ihnen der Sinn steht, wenn sie uns aufsuchen, davon hast du keinen blassen Schimmer. Deine selbst gemachten Petit Fours sind es jedenfalls nicht.«
»Mir munden sie ausgezeichnet«, brachte Olymp, der eigentliche Auslöser des Malheurs, zugunsten von Florine vor.
»Sei nicht dumm, Florine. Es ist doch nichts dabei. Eine Auktion bringt viel Geld ein«, piepste Giselle, mit fünfzehn Lenzen die Jüngste unter ihnen.
»Ich bin nicht dumm!«
»Aber überheblich!«, sagte Bella mit spanischem Zungenschlag. »Von nichts hast du eine Ahnung und willst das Sagen über uns haben. Weshalb sollten wir auf eine hören, die nicht mal vom Fach ist? Das würde ich zu gerne wissen.«
»Was denn? Es ist kein Kunststück zur Hure zu werden«, rutschte es Florine wider besseres Wissen heraus. Sofort schlug sie die Hand vor den Mund, aber gesagt blieb gesagt.
»Wir sind keine Huren, wir sind Kurtisanen!«, brach es vielstimmig aus rosigen Mündern.
Sybille schleuderte sogar ein Stück Melone nach ihr. Sie wich dem Wurfgeschoss aus. Bevor weitere Speisereste durch den Raum flogen, wischte Madame Chrysantheme mit den Händen durch die Luft und verhinderte einen Aufstand. Stille trat ein.
»Florine, niemand kann dich zwingen. In den vergangenen Monaten fand ich Gefallen an dem Gedanken, dir in wenigen Jahren die Verantwortung über dieses Haus zu überlassen und mich auf eine stille Teilhabe zu beschränken. Ich weiß, dass du ähnliche Pläne in dir trägst. Allerdings stimme ich den Mädchen zu. Solange du nicht weißt – und zwar aus eigener Erfahrung – zu welchem Zweck dieses Haus eröffnet wurde und was es erfordert, ihn zu erfüllen, nützt der ganze Firlefanz nichts, den du veranstaltest.«
»Firlefanz! Also wirklich, das ist …«
»Schweig still! In deinem Alter war ich gezwungen, meinen Körper auf den Pariser Straßen feilzubieten. Ein Findelkind war ich, genau wie du. Aufgezogen im Haus der Balbeuf, genau wie du. Es war ein weiter Weg von diesem geizigen Frauenzimmer, das ihren Schützlingen jeden Bissen vom Mund abzählte, bis in diesen Salon.«
»Florine hat großes Glück gehabt«, stimmte Kalinka zu und alles nickte.
»Sofern es dir ernst ist mit deinem Wunsch, hier zu bleiben und deine Pläne zu verwirklichen, musst du eine Wahl treffen. Entweder du fügst dich, oder du gehst. Du bist in meinem Etablissement vom Kind zur Frau gereift, und es ist an der Zeit Erfahrungen zu sammeln, die du dir durch Gucklöcher in den Wänden nicht aneignen
Weitere Kostenlose Bücher