Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
Haares aus und machte keine Anstalten, das Zimmer zu verlassen. Machten sie sich einen Spaß mit ihr, der kleinen Hure aus dem Haus von Madame Chrysantheme? Florine grub die Zähne in ihre Unterlippe. Sie war keine Hure!
Zwei Männer kamen herein.
»Meinen Bruder Ruben kennst du«, sagte Cassian, ohne von ihren Füßen abzulassen. »Und das ist mein Vater. Juvenal.«
Jetzt wusste sie, dass sie gefoppt werden sollte. Der Mann in Schwarz konnte niemals der Vater zweier erwachsener Männer sein. Sie schätzte ihn auf höchstens zehn Jahre älter, etwa in der Mitte seiner dreißig Sommer. Sein Haar besaß die Farbe von Rabenschwingen, lag dicht und kurz geschnitten um seinen Kopf und verstärkte den Ingrimm seiner kantigen Züge. Auf strenge und nüchterne Weise war er attraktiv. Allerdings schien Nachlässigkeit ein Merkmal der Familie Garou zu sein. Auf Perücken legten sie keinen Wert und Westen schienen sie nicht zu besitzen. Leichte Hemden, eng anliegende Kniehosen und hohe Stiefel, mehr trugen sie nicht. Ruben verneigte sich vor ihr, aber dieser Juvenal behielt die Steifheit einer Wachspuppe bei. Sein dunkler Blick wirkte inquisitorisch.
»Das ist Florine«, stellte Cassian sie vor.
Ausgerechnet jetzt erfüllte die Mohrin ihr den Wunsch und zog sich zurück. Soeben noch hatte sie darauf gehofft, jetzt jedoch wäre es ihr lieber, die Frau würde bleiben. Irgendwie flößte ihr die düstere Aufmachung Juvenals Unbehagen ein. Cassian ließ nicht zu, dass sie ihm ihre Füße entzog. Er drückte sacht gegen ihre Fußsohlen, ohne etwas auf die Gegenwart seines Vaters oder Bruders zu geben. Die Stille im Zimmer wurde dumpf.
»Habt Ihr auch einen Familiennamen, Mademoiselle Florine?«
Natürlich, ein Familienname war unerlässlich, um etwas zu gelten. Das dunkle Timbre sprach für sich selbst. Juvenal hatte sich bereits ein Bild gemacht, und schmeichelhaft war es nicht. Auf ihn mochte sie wie ein zerrupftes Rotkehlchen wirken, dessen sonnenblumengelbes Kleid ein minimal zu tiefes Dekollete besaß. Sein Blick durchbohrte sie.
»Nein, ich bin ein Findelkind.«
Sofort keimte Ärger in ihr auf. Ihre gehauchte Antwort klang zu sehr nach einem Schuldgeständnis, obwohl sie gewiss keine Schuld auf sich geladen hatte. Nach der Abklärung ihrer geringen Stellung in der Gesellschaft trat erneut Schweigen ein. Sie wusste nicht, wohin sie blicken sollte. Sobald sie Cassian ansah wurden Erinnerungen an seine Leidenschaft geweckt. Allein seine Nähe löste ein Kribbeln in ihr aus. Juvenals gelbbraunen Augen wollte sie nicht begegnen, und Ruben wiederum schien ihrem Blick auszuweichen.
»Ein Findelkind also«, konstatierte Juvenal nach einer Weile.
Es klang nach Krätze oder einer noch schlimmeren Krankheit. Vielleicht war er der Vormund von Cassian und Ruben. Der Altersunterschied war groß genug, und es würde erklären, weshalb Cassian ihn seinen Vater nannte. Juvenals Miene war eindeutig. Ihm sagte es nicht zu, dass sein Sohn vor einem Findelkind kniete und dessen Füße massierte.
»Ihr wurdet auf den Stufen eines Hurenhauses gefunden?«
Ihr Rückgrat versteifte sich. Sie wusste, worauf die Frage zielte. Ein Fingerzeig war es, der sie auf ihren Platz verwies, und dieser war nicht in diesem Haus.
»Man fand mich in einem Beichtstuhl der Kirche Saint Julien-le-Pauvre. Sie steht gegenüber der Kathedrale Notre Dame.«
»In einem Körbchen?«, erkundigte sich Ruben.
Sein Lächeln war freundlich und in seinen Augen stand lediglich verhaltene Neugier. Er war weitaus sympathischer als der bärbeißige Juvenal. In weichen Wellen floss sein Haar auf seine Schultern, das Schwarz durchzogen von wenigen dunkelroten Strähnen, und nahm seinem Gesicht etwas von der auffallenden Schärfe, die die drei Männer gemein hatten. Florines Antwort fiel entsprechend gemessen, wenn auch detailliert aus.
»In einem Wickel, der äußerst wenig gegen die Kälte ausrichten konnte. In Notre Dame wäre ich schneller gefunden worden, doch dies schien nicht die Absicht desjenigen gewesen zu sein, der mich aussetzte. Ich lag eine ganze Nacht dort, bis mich ein Küster fand. Es war Winter.«
Herausfordernd sah sie von einem Mann zum anderen. Sie hatte den Spieß umgedreht und alle drei in Verlegenheit gebracht. Selbst Juvenal wich ihrem Blick aus.
»Das tut mir leid«, sagte Cassian und drückte ihre Füße.
»Ihr seid nicht erfroren«, meinte Juvenal. Es klang nach einem Vorwurf.
»Nein, diese Hoffnung meiner Mutter erfüllte sich
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