Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
nichts.
»Ich weiß es nicht.«
»Du weißt es nicht?«
»Ich weiß es nicht, in Ordnung? Ich weiß nicht was ich hier mache und warum ich dich … Euch mit Kleidern beworfen habe. Es tut mir leid.«
Die Entschuldigung kostete Überwindung. Sie machte einen Schritt zur Seite, er ebenfalls. Seine Mundwinkel zuckten belustigt. Der Schwung seiner Lippen erinnerte sie an die gemeinsam verbrachte Nacht, und wo sie ihre Berührung gespürt hatte. Überall auf ihrer Haut. Sogar an der intimsten Stelle.
»Ich wäre schon zu dir gekommen, Florine. Nur im Augenblick ist es … schwierig.«
Das fehlte ihr noch. Leere Versprechungen. Sie kannte die Hoffnungen der Mädchen, die einem Freier galten, der sie eines Tages mitnehmen und heiraten würde. Unendlich große Träume waren das. Natürlich war der Retter stets jung und ansehnlich weit über das Mittelmaß hinaus. Sie neigte nicht zu Träumen, obwohl Cassian sich besser denn jeder andere dazu eignete.
»Ich bin keine Hure, Monsieur, auch wenn ich diesen Eindruck erweckt haben muss. Entschuldigt mich nun, ich muss zurück.«
Leider fiel ihr keine bessere Erwiderung ein, die einen spektakulären Abgang ermöglicht hätte. Sie platschte mit nassen Schuhen und einem vom Regen schweren Hut davon. Cassian holte sie ein und ergriff ihre Hand. Sein Tonfall war versöhnlicher geworden.
»Du bist bis auf die Haut durchnässt. Komm ins Haus und ruhe dich einen Moment aus.«
An seiner Hand fühlte sie sich wie ein törichtes Kind, trotzdem hielt sie sich daran fest.
Wenig später saß sie auf einem Stuhl mit weichem Sitzpolster und fühlte sich von zwei Seiten eingekreist. In ihrem Rücken stand die schöne Mohrin und widmete sich ihrem nassen Haar, die feingliedrigen Finger von einer Sanftmut, die Anerkennung verdiente. Florine hätte sie leichter aufgebracht, wenn eine dieser Hände sich nicht zwischen Cassians Beinen zu schaffen gemacht hätte. Dieser hatte sich vor sie gekniet, ihre Schuhe abgestreift und massierte ihre Füße. Sie war einem ungewohnten Maß an Fürsorge ausgesetzt, ohne es wirklich genießen zu können. Der angenehme Druck von Cassians Fingern konfrontierte sie mit der Frage, ob er solche Massagen an den Füßen seiner dunklen Geliebten regelmäßig übte. Er sah auf und legte die Hände um ihren Fuß. Sie strahlten Wärme aus.
»Bist du hungrig?«
Sie versank in die Betrachtung seiner sehnigen Hände. Sie gehörten einem Aristokraten, kräftig, schlank und trotz der Nachlässigkeit seiner Kleidung sauber. Die Kreise, die sein Daumen um ihren Fußknöchel beschrieb, führten sie zu den gemeinsam erlebten Stunden zurück. Im Nachhinein schienen sie zu märchenhaft, um wirklich stattgefunden zu haben. Sie kannte die Bezeichnung für Frauen, die sich auf die Erfüllung der größten Lust verstanden, schließlich lebte sie mit einem halben Dutzend zusammen. Doch wie wurden Männer mit denselben Fähigkeiten genannt? Ungezügelt und gleichzeitig zärtlich, wild und anschmiegsam in einem, erfahren und irgendwie auch verspielt – Cassian vereinte in der Liebe etliche Gegensätze in sich. Da sie in Liebesdingen einzig auf ihre Erfahrungen mit Lucas zurückgreifen konnte, war Cassian eine Offenbarung. Während all ihrer Inspektionen durch die Gucklöcher in Madame Chrysanthemes Wänden hatte sie keinen Anhaltspunkt dafür entdeckt, dass Männer sonderliches Geschick in der Liebe an den Tag legten. Genau genommen war sie vom Gegenteil ausgegangen. Nichts hatte sie auf die Leidenschaft vorbereitet, die in ihr schlummerte. Nichts auf die Hitze, die sich allein bei dem Gedanken daran entflammte und sich in ihrem Schoß sammelte. Der Genuss war so intensiv gewesen, dass sie ihn selbst jetzt noch schmecken konnte. Ob sie es wollte oder nicht, und gerade jetzt wäre ihr ein unbeteiligtes Auftreten gelegen gekommen. Leider war es ihr nicht gegeben. Als erahnte er ihre Gedanken sah er ihr tief in die Augen. Seine anfängliche Ungeduld war verflogen.
»Deine Strümpfe sind feucht, du solltest sie ausziehen.«
Vor seiner Mätresse würde sie das garantiert nicht tun. Feuchte Strümpfe waren das geringste ihrer Probleme. Geflissentlich ging sie über den Vorschlag hinweg. Worüber sie nicht so leicht hinweggehen konnte, war Cassians Liebkosung. Er strich hinauf zu ihren Waden und von dort wieder zurück zu ihren Fußzehen. Ihr Herz schlug so hart gegen ihre Brust, dass sie fürchtete, die anderen könnten es hören. Unbeirrt kämmte die Mohrin Strähne um Strähne ihres
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