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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Kosten für die Fahrt wird Madame Chrysantheme dir in Rechnung stellen.«
    »Ich glaube das alles nicht.« Diesmal presste Bertrand Daumen und Zeigefinger gegen seine Stirn und stierte Florine aus glasigen Augen in Grund und Boden. Sie kannte diese Blicke. Volltrunkene Freier waren keine Seltenheit im Hause Chrysantheme.
    »Gehen wir«, sagte sie und entschied die Schlacht für sich.
    Die Sitze der Chaise waren aus weichem Leder, und sie störte sich nicht an den gelegentlichen Wassertropfen, die ihr der Fahrtwind ins Gesicht sprühte. Ein warmes Sommernieseln war es, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte Bertrand an Geschwindigkeit zulegen können. Felder und Baumreihen, kleine Haine und Weiher flogen an ihnen vorüber. Sie hielt ihren Hut fest und freute sich, als das Pferd von Bertrand in einen leichten Galopp getrieben wurde. Das war einmal etwas, wovon sie den Mädchen am Abend berichten konnte.
    »Erzähle mir etwas über den Chevalier, Bertrand.«
    »Ich weiß nichts über ihn.«
    »Dann bist du ein schlecht informierter Lakai. Ich gebe dir einen guten Rat. Ohne Informationen funktioniert der ganze Haushalt nicht. Das weiß ich aus Erfahrung. Also, unter uns, welche Eigenheiten hat er noch, außer seine Kleidung zu vergessen und nackend den Heimweg anzutreten?«
    »Er hüllt sich in einen Wolfspelz und erschreckt kleine Mädchen. Manche frisst er auch«, knatterte Bertrand bärbeißig.
    »Netter Scherz. Wirklich, sehr nett.«
    Sie gab es auf, Bertrand Vertraulichkeiten zu entlocken. Ihr war es genug die Fahrt zu genießen, die sie in einen Vorort im Norden von Paris führte. Bertrand lenkte die Chaise durch einen Torbogen in einen gepflasterten Innenhof, in dessen Zentrum ein Springbrunnen stand. Trotz des Regens spuckte dieser Wasserfontänen in die Luft. Das Haus war ein großer Kasten, dessen roter Stein größtenteils von Efeuranken überwuchert war. Die Giebel waren spitz und dienten einer Horde Krähen als Rastplatz.
    Sie musste sich eilen, um mit Bertrand Schritt zu halten. Er hastete flache Steinstufen hinauf, holte einen Schlüssel hervor und verweigerte ihr wenig galant den Vortritt. Auf einem Mosaik aus schwarzen und weißen Quadraten blieb sie stehen. An den Längsseiten des Vestibüls führten geschwungene Marmortreppen in das nächste Geschoss. Sie schienen frei zu schweben.
    »Was für ein großes Vestibül.«
    Ihre Stimme hallte. Sie legte den Kopf in den Nacken und bewunderte die Kuppel aus Buntglas. Ein Kronleuchter, groß wie die Chaise, in der sie gesessen hatte, hing daran herab. Wie sie wohl an die vielen Kerzen gelangten?
    »Warte hier. Rühr dich nicht vom Fleck, und fass um Himmels Willen nichts an!«
    Fass um Himmels Willen nichts an., Sie konnte es sich nicht verkneifen, ihn stumm nachzuäffen und eine Grimasse zu schneiden, als Bertrand im hinteren Teil des Hauses verschwand. Was dachte er sich denn? Ihre Hände waren sauber. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, rührte sie sich und trat vor eine der Ritterrüstungen, die die Treppen flankierten. Selbst an diesem trüben Tag glänzte das Metall. Sie lugte durch die Ritzen des Visiers, klopfte mit dem Fingerknöchel gegen den Harnisch und sah sich um, als der hohle Klang sich im Vestibül verdoppelte und verdreifachte. Vielleicht sollte sie doch nichts anfassen.
    Sie trat an eine Wand und begutachtete die Waffen, die daran hingen. Schwerter und Degen, Äxte und ein Knüppel mit einer Kette und einer dornenbewehrten Kugel am Ende. Rüstungen für Zwerge und Waffen für Riesen, wenn das nicht seltsam war. Als nächstes zogen die leuchtenden Farben einer niedrigen Truhe sie an. Im Mittelteil ritt eine Dame auf einem Schimmel. Hinter ihr hielten sich Gestalten an den Händen und verrenkten ihre hageren Glieder. War dies ein Motiv aus einem Märchen? Es wollte ihr keins einfallen, in dem Totenköpfe in smaragdgrünen Bäumen eine Rolle spielten.
    Die Zeit verstrich, ohne dass Bertrand zurückkehrte. Aus den Tiefen des Hauses schlug eine Uhr die fünfte Nachmittagsstunde. Der Glockenschlag verfestigte den Verdacht, Bertrand habe sie gar nicht angekündigt. Dieser infame Hagestolz hatte sie schlicht stehen lassen, in der irrigen Hoffnung, sie würde klein beigeben und einen Rückzieher machen.
    »Kretin«, machte Florine ihrem Ärger Luft und setzte ihren Fuß auf die erste Treppenstufe.
    Sie nahm die zweite, die dritte und die vierte, ohne dass jemand sie aufhielt. Den Rest der Stufen flitzte sie mit gerafftem Rock hinauf und

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