Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
glühst“, stieß er aus und schob sie ein Stück von sich, um in ihr Gesicht zu blicken. „Du hast Fieber.“
Sofort zog er sie wieder an sich. Sie versank in seiner Wärme, ließ sich in seinen Armen wiegen und spürte, wie die Schauder sich legten, das Fieber weniger und sie durch seine Kraft ganz wurde und damit heil.
„Ich verspreche dir, dass ich nie wieder an dir zweifeln werde, Ruben“, schwor sie und zog die Nase hoch.
„Sei vorsichtig mit deinen Versprechen. Ich könnte dich beim Wort nehmen“, murmelte er in ihr Haar. Aus seinem Tonfall war der berechtigte Zorn über ihr Verhalten gewichen. Als sie zu ihm aufsah, lächelte er und zeigte sein Grübchen.
„Du verzeihst mir?“, vergewisserte sie sich.
„Was sonst?“ Er seufzte schwer und drückte ein Taschentuch an ihre Nase.
Sie schnäuzte sich so laut, dass er eine Grimasse zog und sie leise auflachen musste. Der größte aller Hexenmeister sah auf sie herab, und Aurora, die sich an Ruben lehnte, kam es vor, als würde ein vages Lächeln die elfenbeinernen Mundwinkel heben.
„Gehen wir?“, fragte Ruben und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen.
„Wohin immer du willst.“
Hand in Hand verließen sie die Kirche, traten hinaus in die Dunkelheit der römischen Gassen. Zwei Geschöpfe der Nacht, so unterschiedlich, dass es ihnen möglich war, zu verschmelzen und eins zu werden.
„Sie hat Tizzio di Mannero die Hand abgeschlagen und ist getürmt. Ich glaube nicht, dass uns das schadet.“
„Sicher nicht“, erwiderte Selene und streichelte Mica durch den goldenen Haarschopf. „Sie hat uns sogar einen Gefallen erwiesen, dieses liebe Kind. Ein Werwolf mit nur einer Hand ist kein Gegner für mich. Sein Revier wird sehr bald mir gehören.“
„Mutter, du wolltest ihm wohlwollend gegenübertreten, also halte dich daran.“
„Selbstverständlich. Mein Wohlwollen wird den roten Wölfen zuteil, ein deutliches Zeichen für das alte Volk. Ich könnte ihn auch im Ungewissen lassen, was der nächste Tag bringt. Ein wenig Spaß sollte mir vergönnt sein, mein goldener Sohn.“
„Solange du es nicht übertreibst. Was ist das für ein Brief in deiner Hand?“
Selene sah auf das gefaltete Schreiben hinab, das in Vergessenheit geraten war, als Mica ihr von den Neuigkeiten und Berenikes letzter Eskapade berichtet hatte. Seine Schwester wollte Unruhe stiften. Da sie nur ein Katana bei sich trug und die Lamia sich nicht dazu durchringen konnten, eine Gemeinschaft zu bilden, würde sie nicht viel ausrichten können. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Berenike in das Haus ihrer Mutter zurückkehrte. Selene setzte sich neben ihn und entfaltete den Brief. Ihr Smaragdblick glitt über die Zeilen, ihre Augen wurden schmal, weiteten sich, wurden wieder schmal.
„Was ist?“
Sie schleuderte den Brief in seinen Schoß und fauchte. „Lies selbst. Dieses dumme Ding!“
Er nahm den Brief auf. Aus jeder Zeile triefte das Pathos. Mica wäre nie darauf gekommen, dass eine Lamia dazu neigen konnte. Seine Kiefer verkrampften sich. Selene drückte die Hand an ihre Schläfe.
Eines nicht allzu fernen Tages werdet ihr begreifen, wie unsinnig und nichtig der von euch angestrebte Frieden ist und ihr werdet mir für diese Erkenntnis Dank schulden. Im Gegensatz zu euch habe ich nicht vergessen, wer wir sind und was wir waren, und so weiß ich nicht, ob ich euch jemals vergeben kann. Ein Abkömmling der Mechalath ist gottgleich, und ihr habt danach getrachtet, eine Göttin zu schänden, indem ihr sie einem Werwolf überlassen wolltet. Das alte Volk der Vampire und Lamia wird die Krone der Schöpfung zurückerlangen, wenn der letzte Werwolf in seinem Blut verendet. Ihr wollt ein Zeichen? Von mir werdet ihr es erhalten! Ruben de Garou habe ich verschont, da das Herz einer Strega an ihm hängt. Seinen Brüdern gegenüber werde ich keine Gnade kennen. Ich, Berenike, Tochter des Am-heh, werde nicht eher ruhen, bis eure engsten Verbündeten aus der Sippe der Garou ausgelöscht sind durch mein Schwert
.
Micas Fänge begannen zu pochen, füllten seine Mundhöhle aus und verwischten seine Stimme. „Sie will gegen die Garou vorgehen? Teufel noch eins!“
Selenes Fingernägel hatten Spuren auf ihrer Stirn hinterlassen. Die Kratzer blühten auf und verblassten vor seinen Augen. Ihre Hand sank in ihren Schoß.
„Vielleicht ist es gut, dass sie ihren eigenen Weg wählt, obwohl er sie in den sicheren Tod führt. Meine Tochter, deine Schwester, die Jüngste unter den Lamia und
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