Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Unterstützung nötig gehabt hatte. Der Gedanke, von ihm abgelehnt zu werden, hielt sie am Boden.
Das Licht der Kerzen kam nicht gegen die Dunkelheit an, die allmählich in ihr aufstieg. Ihr Sehfeld schrumpfte, und die Angst, ihm könnte etwas zugestoßen sein, das eine Umkehr unmöglich machte, wurde immer größer. Sie hatte einen Fehler begangen. Einen von jener Sorte, den sie sich nicht vergeben konnte. Wie sollte sie von Ruben Vergebung erwarten? Und was sollte werden, wenn Tizzio ihn getötet hatte und jede Chance auf Versöhnung endgültig dahin war? Was sollte sie bloß machen?
Es kam ihr paradox vor. Sie, eine Strega aus einer berüchtigten Hexengilde, kniete vor demjenigen, den die Menschen zu ihrem Heiland erkoren hatten. Gleichwohl war er viel mehr als das. Das Leitbild aller Gilden, der größte aller Hexenmeister, die jemals geatmet hatten. Sie umfasste ihr Grimoire fester und sah zu ihm auf in der Hoffnung, ein Zeichen zu erhalten.
„Ich weiß, von dir darf ich keine Antwort erwarten. Obwohl du es warst, der mir eine Vision schickte, erhoffe ich mir kein zweites Wunder von dir. Aber zuhören, das ist nicht zu viel verlangt von der größten aller Strega, die es jemals gab.“ Mit einem tiefen, bebenden Atemzug unterbrach sie sich. Es kam kein Wispern über die elfenbeinernen Lippen, kein Zeichen, dass ihre Worte mehr erzeugten als einen Hall in der leeren Kirche. „Deine Kräfte haben dich in größter Not im Stich gelassen. Unsere Magie nützt wenig im Angesicht des größten Leides. Sie kann es nicht lindern und uns nicht den Schmerz nehmen.“ Sie drohte nach vorne zu kippen und fing sich im letzten Moment. Sie wurde lauter, begehrte auf. „Von Liebe hast du gesprochen, während all deiner Jahre der Wanderung. Aber hast du sie je kennengelernt, diese Liebe? Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn sie dein Herz aushöhlt und die Leere mit Fieber füllt? Weshalb muss das so sein?“
Ihre Frage donnerte zur Kuppel hinauf, fiel in ihren Nacken und drückte sie nieder. Sie beugte den Kopf über das schwere Buch, zog ihre Kapuze tiefer ins Gesicht und ließ die Stille auf sich wirken. Der Stein unter ihren Knien war kalt und diese Kälte kroch höher und hüllte sie ein, vertiefte ihre Einsamkeit. Trotz des Frostes krochen Fieberschauder über ihr Rückgrat. Erst jetzt begriff sie die Bedeutung einer Ergänzung. Ruben war ihr Gegenpol, derjenige, der ihre Hexenmacht ins Gleichgewicht brachte und sie vervollständigte. Durch ihn war ihre Magie erwacht, von ihm geschürt worden, ohne ihn war sie weder ganz noch heil. Dieses Wissen über den Wert einer Ergänzung hatte das Grimoire ihr nicht offenbart.
„Ich will doch nur wissen, ob er noch am Leben ist“, hauchte sie.
„Du richtest deine Fragen an den Falschen.“
Das tonlose Flüstern erklang direkt über Aurora. Im letzten Augenblick unterdrückte sie einen Aufschrei und hob den Kopf. Ruben stand neben ihr. In Weinrot gekleidet. So überaus elegant und gleichzeitig mit verkrampftem Kiefer, der seinen Zorn verriet. Mühsam kämpfte sie sich auf die Füße und taumelte. Das Fieber und seine Anwesenheit machten ihre Knie weich.
„Hast du wirklich geglaubt, dass du vor mir davonlaufen, dich vor einem Alphawolf in einem Kloster verstecken kannst?“
„Ich …“
„Ich habe dir gesagt, was eine Verbindung mit mir bedeutet. Es gibt kein Zurück für die Gefährtin eines Werwolfs.“
Tränen füllten ihre Augen, sodass die Härte seines Gesichts verschwamm. Ja, sie war schuldig. Ja, sie hatte eine harsche Zurechtweisung verdient. Aber es tat trotzdem weh und sorgte für einen weiteren Schauder, der heiß und kalt zugleich ein Zittern durch ihren Körper schickte.
„Und dann liegst du hier auf den Knien und fragst eine geschnitzte Figur nach der Macht der Liebe.“
Ein Schluchzen drückte ihr den Hals zu. Unglück zerrte an ihren Mundwinkeln. Jeden Gesichtsmuskel spürte sie. Alles verzog sich, während ihre Augen überliefen und Tränen über ihre Wangen rannen. Da ihr keine Rechtfertigung einfiel, ihre Schwäche zunahm, sank sie nach vorne und wurde von seinen Armen aufgefangen. Sobald er sie berührte, hob sich eine Welle aus Kraft auf sie zu, drang in sie ein und legte sich über ihre Schwäche. Endlich erlangte sie ihre Stimme zurück.
„Verzeih mir. Ich glaubte, es wäre das Beste, und ich wollte das Duell verhindern. Das war dumm von mir. Ich will nicht ohne dich sein. Niemals wollte ich das“, heulte sie in seine Hemdbrust.
„Du
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