Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)

neben der Tür stand, eingeschaltet hatte, setzten wir uns erneut nebeneinander auf das Bett, die Rücken an die Wand gelehnt. Eine Zeitlang schwiegen wir, lauschten den Vögeln und Groovin’ von den Rascals und beobachteten die in der Morgensonne anmutig tanzenden Staubpartikel in seinem Zimmer.  
    Irgendwann schob er seine Hand hinter meinen Hals und zog mich vorsichtig zu sich, so dass ich meinen Kopf in seinen Schoß legte. Behutsam streichelte er über mein Haar.
    „Heißt das, dass ich dieses Grundstück nie wieder verlassen und meine Mum nie wieder sehen kann?“
    „Ja und nein, Julian, aber nicht wirklich. Das Konzept veränderbarer Zeit ist schwer zu verstehen. Nach deiner Zeitrechnung lebe ich hier seit achtzehn Jahren.“  
    „Also haben dich deine Eltern kurz nach deiner Geburt hierher gebracht und du bist allein aufgewachsen? Das geht doch gar nicht.“
    „Nein, nein. Ich bin mit meinen Eltern zusammen nach Cape Orchid gekommen, als ich zwanzig war, und wir sind nicht in diese Villa gezogen, sondern in euer Haus nebenan. Das war 1979.“
    „Blödsinn. Du bist doch keine achtunddreißig.“
    „Ich bin immer noch zwanzig, obwohl ich 1959 geboren wurde. Das versuche ich ja, dir zu erklären. Wer hier lebt, ist isoliert von normalen Abläufen. Ich wurde Teil des Rosengartens und der Villa, so wie du. Wir sind eins und in sehr naher Zukunft wirst du die Veränderungen erkennen und verstehen. Wenn ich gehe –“
    Bei den Worten schoss eine Gänsehaut über meinen Rücken.
    „– werde ich meinen Vorgänger wiedersehen. Endlich oder schon so bald, je nachdem, wie wir es definieren wollen. Zeitgleich werde ich mit meiner Familie vereint sein und mit dir.“
    „Das verstehe ich nicht. Ich möchte dich mit keinem anderen Freund teilen.“
    „Das wird auch nicht geschehen. Wenn einer von uns die Villa und den Grund, auf dem sie steht, letztendlich verlässt, haben Zeit und Raum noch immer nicht die Bedeutung, wie du sie kennst. Wir erschaffen dadurch zwei neue Dimensionen, die von dort an gemeinsam mit der ursprünglichen existieren. Wie kann ich dir das am besten verdeutlichen?“  
    Alain machte eine kurze Pause, in der er abwesend wirkte. Dann sprach er weiter.
    „Du kannst es am ehesten mit einer bewussten multiplen Persönlichkeitsspaltung vergleichen. So, wie wir die Zeit krümmen können, können wir auch den Raum krümmen, denn Zeit ist die bewegte Dreidimensionalität und Materie ist wiederum ohne Zeit nicht existent. Beides gehört zusammen, und wir haben die physikalischen Schranken durchbrochen. Ich werde drei Leben gleichzeitig führen, jedes zu hundert Prozent und jedes davon wird wundervoll sein. Das gleiche wird dir widerfahren, wenn deine Zeit gekommen ist. Eines mit deiner Mum – dein Vater wird kein Bestandteil dessen sein, er ist an diesem Punkt getilgt worden – eines mit mir und eines mit deinem Nachfolger.“  
    „Ich möchte aber keinen Nachfolger haben. Ich will dich, Alain, nur dich.“
    „Mach dir keine Sorgen. Es wird eine Weile dauern, bis du das Konzept begriffen hast. Zwei von dir werden später, nachdem du die Villa verlässt, einen Sprung nach 1997 zurück machen. Einer davon bleibt bei deiner Mum und deinem eigentlichen Leben, den anderen, reiferen, aber nicht älteren, werde ich bereits erwarten, um mit ihm ein gemeinsames Leben zu führen. Auch ich werde dann immer noch zwanzig sein. Aber es wird am Ende deines Aufenthalts in der Villa einen Nachfolger geben, so wie du einer für mich bist. Und du wirst ihn so sehr lieben, wie ich dich jetzt, und als dritter die Zukunft in seiner Zeit mit ihm verbringen. Das ist okay, da es ganz verschiedene Leben sind, unabhängig voneinander, verstehst du? Jedes dieser Leben ist individuell und nicht belastet von einem der anderen. Wir sind keine Personen mehr, wir sind eine Vielzahl, wie Ableger einer Rose, gewachsen aus dem ursprünglichen Trieb, bis wir auf eigenen Füßen stehen können. Die Perfektion der Liebe, rein und ohne Eifersucht oder Neid oder Sorgen.“
    „In dem Moment, wenn ich die Villa verlasse, wird es mich also dreimal geben?“
    „Stimmt.“
    „Zwei jetzt und einen später.“
    „Korrekt.“
    „Und du hast achtzehn Jahre hier allein verbracht, ohne zu altern, obwohl die Zeit außerhalb des Grundstücks normal weiterlief?“
    „Auch richtig.“
    „Und was hindert mich daran, jetzt sofort zu gehen und nicht erst 2015 oder so?“
    „Dein Nachfolger muss dich erst finden. Du musst warten, bis deine