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Söhne und Planeten

Söhne und Planeten

Titel: Söhne und Planeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Er machte schon wieder Unfug.
    Sie hatte die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt. Ergebenes Tier. Küss mich. Dargebotener Hals.
    Templ versuchte, sich wieder an ihr hochzustemmen, aber es gelang nicht, irgendwie fanden seine Füße keinen Halt, oder er rutschte ständig nach hinten. Aber um ihre Erregung, diesen kostbaren Zustand, nicht durch irgendwelche hilflosen Pantomimen zu zerstören, gab er dem fehlenden Gleichgewicht einfach nach und ließ sich nach unten sinken. Natalies Klitoris war herrlich und groß, um sie gediehen üppige Schamlippen wie feuchte Orchideenblüten – er hielt sein Gesicht hinein, in dieses jugendliche Paradies, er leckte, saugte, züngelte die weichen, empfänglichen Stellen – es steigerte seine Erregung ins Unerträgliche, sein Penis rieb an der Bettdecke, ungeduldig, prall. Weit weg, sehr weit entfernt stöhnte sie, kicherte, stöhnte wieder, ah, ihre wunderbare Stimme, wie sie verschiedene Register ausprobierte, ja, ja, er fickte sie ein wenig mit seiner Zunge, oh, wie gern er ganz in sie eindringen wollte, mit seinen Händen, mit seiner Zunge, sie ausfüllen, sie ausmessen –
    Er führte zwei Finger in ihre Vagina ein, saugende Wärme empfing und umschloss sie, er bewegte sie in ihr hin und her, aber er fühlte, dass der Widerstand sehr gering war. Natürlich, er hatte sie erregt, sodass sie sich befeuchtet, dass sie sich
geweitet
hatte, ah, ein herrlicher Gedanke, diese Lockerung des Widerstands, diese sexuelle Dehnbarkeit des Fleisches – er steckte alle fünf Finger seiner rechten Hand in sie, es ging ganz leicht und er starrte verzaubert auf den ungewohnten Anblick.
Fist Fuck
, der brutale Ausdruck passte zu ihm, er gierte nach mehr, er umklammerte mit dem freien Arm ihren Schenkel, um sein Gesicht näher zu bringen, da bemerkte er – es brachte ihn aus dem Rhythmus –,dass er ihren Schenkel nicht umfassen konnte, dass ihr Schenkel viel zu groß und zu schwer war. Er war verwirrt und leichter Schwindel kündigte sich an, jetzt musste er sich wirklich aufrichten – aber als er stand, warf ihn Natalies entsetztes Gebrüll auf den Rücken. Sie schrie und schrie und – was war geschehen? – sie schlug nach ihm, sie versuchte, von ihm loszukommen.
    Jetzt blickte er an sich hinunter und sah mit großem Entsetzen die Katastrophe: Er war zusammengeschrumpft auf die Größe einer Handpuppe, nur eine absurde Erektion von normalen Ausmaßen stand daraus hervor, und auch sein Kopf war beinahe gleich groß geblieben. Es war fast unmöglich, aufrecht zu stehen, so schwer wog der Kopf auf seinen Schultern.
    Natalie schrie und strampelte sich von dem Monster frei, Templ jammerte Entschuldigungen. Sie war schreiend aus dem Zimmer gerannt und weit entfernt hörte Templ das Zischen eines Wasserhahns. Er wühlte sich aus den Decken hervor, rollte sich an den Rand des Betts und verharrte so, reglos und irritiert, einen Augenblick – dann purzelte er zu Boden, direkt in den schwarzen Schlund seines Schuhs. Sein Körper verschwand darin, nur der Kopf passte natürlich nicht hinein.
    Das Letzte, was er mitbekam, war das Geräusch einer Tür, die ins Schloss fiel. Sein Kopf kippte nach vorne, auf das Geduldspiel der überdimensionalen Schuhbänder. Ohnmächtig lag er so mehrere Stunden.
    Er erwachte in tropischer Hitze. Sein schwerer Kopf glühte in makroskopischem Fieber, Schweiß rann ihm über die Wangen und seine Kopfhaut juckte. Wenn er auf den Boden starrte, nahm er gespenstische Verschiebungen im Teppichmuster wahr.
    Als er versuchte sich zu kratzen, sah er, dass sein Körper immer noch von monströser Winzigkeit war. Verzweifelt schälte er sich aus dem Schuh, seiner unwürdigen Behausung.
    Die Wohnung war vollkommen still und vor den Fenstern brach schon die Dämmerung an. Mit einiger Mühe schaffte er es, auf den Schreibtisch zu klettern, von wo er die Lage überblickte. Sein Glied hatte, in zweifelhaftem Anpassungsbedürfnis, die im Verhältnis zu seinem Körper normale Größe angenommen.
    Weit oben, in unerreichbarer Ferne, standen Bücher in einem Regal.
    Geschafft! Er hatte das Buch tatsächlich aus dem Regal gezerrt. »Tagebuch des Pestjahrs«. Defoes eigentliches Meisterwerk, dachte er – und das Wort hatte in seinem Kopf einen so wohltuenden Klang, dass ihm davon fast schwindlig wurde.
    Mein Gott, der Kopf! Er war so schwer – jetzt erst, als er die ersten Zeilen zu lesen begann, wurde ihm bewusst, dass er ihn überhaupt nicht mehr richtig gebrauchen konnte.

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