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Söhne und siechende Seelen

Söhne und siechende Seelen

Titel: Söhne und siechende Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alper Canıgüz
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logisch folgerte, fliegend durchführten, ließen die schwachsinnigen Teufelchen den Spiegel fallen, und er ging kaputt. Gleichwohl hatte dieser Unfall keine positiven Folgen für die Menschheit. Die Splitter des völlig zerschmetterten Spiegels wurden mit den Nordwinden in alle vier Himmelsrichtungen versprengt und flogen dem einen oder anderen ins Auge, und auf einmal wimmelte es nur noch von solchen Scheißtypen. Kay und Gerda waren die netten Kinder zweier Familien, die jeweils in der Dachkammer zweier benachbarter Häuser wohnten. Die Kinder waren Feuer und Flamme füreinander. Vor ihren Fenstern stand jeweils ein Blumenkasten. In jedem dieser Kästen befand sich – Symbol ihrer Liebe – ein Rosenstrauch. Im Sommer hingen die beiden ständig zusammen, hopsten auf Wiesen herum, statteten einander über die Balkons häufig Besuche ab und – aber dafür lege ich meine Hand nicht ins Feuer – trieben sicherlich das eine oder andere miteinander. Im Winter allerdings ließen ihre Eltern sie nicht aus dem Haus, sodass sie sich nicht treffen und rummachen konnten. Das Eis vor den Fenstern hinderte sie sogar daran, einander zu sehen. Doch sie gaben nicht auf, sondern erwärmten Münzen auf dem Ofen und hielten sie an die Scheibe. Durch diese Gucklöcher sahen sie sich an. So zwangsgesteuert waren die beiden also. Ach ja, und da war noch dieses blöde Lied, das Gerda andauernd sang:
»Die Rosen, sie verblühn und verwehen, wir werden das Christkindlein sehen!«
Wie Sie sicher bereits vermutet haben, kriegte Kay eines Tages einen dieser Splitter ins Auge, und aus der liebevollen Trantüte wurde ein kalter, klugscheißerischer Sexbesessener. Kurz danach machte er sich auf die Socken und fuhr nach Lappland, zum Palast der Schneekönigin. Gerda jagte ihm hinterher, wahrscheinlich weil sie befürchtete, keinen anderen Trottel zu finden, der sie heiraten würde. Welch Kalamitäten sie unterwegs überstand und welchen Leuten sie begegnete! Dieben, Unheilbringern, sprechenden Krähen, lesbischen Zauberinnen. Eine der Episoden rührte mich ehrlich gesagt doch ein ganz klein wenig. Ich werde nicht umhinkönnen, sie zu erzählen. Während Gerda herumstromerte, kam sie eines Tages an ein Haus mit einem herrlichen Garten mit Obstbäumen und allen möglichen Blumen und klingelte an der Tür. Das Haus gehörte einer gutherzigen Alten, die zaubern konnte. Als sie Gerdas Geschichte gehörte hatte, nahm sie sie mit in ihr Haus. Sie wies ihr ein Bombenzimmer zu, gab ihr die leckersten Speisen zu essen, kämmte ihr das Haar mit einem goldenen Kamm und dergleichen. Es stellte sich heraus, dass sie sich schon lange eine Tochter gewünscht hatte. Deshalb klammerte sie sich an Gerda. Und während die ohnehin verfressene Gerda wie die Made im Speck vor sich hin lebte, vergaß sie, bedingt durch die Zaubereien der Alten, woher sie kam und wohin sie ging. Trotzdem fürchtete die Alte immer noch, Gerda könnte sie wegen diesem blöden Kay verlassen. Damit Gerda beim Gartenspaziergang durch den Anblick der Rosen, dem Symbol für Kay und ihre Liebe, nicht an ihn erinnert würde, ging die Alte eines Nachts hinaus und zermalmte alle Rosen in ihrem wunderschönen Garten. Doch eines Tages erblickte Gerda auf dem Hut der alten Zauberin ein Rosenmuster und erlangte so ihr Gedächtnis wieder. Undankbar, wie sie war, rannte sie flennend und plärrend davon, ohne sich bei der armen Frau zu bedanken. Kay ließ es sich derweil in Lappland gut gehen. Die Schneekönigin, was immer sie auch an ihm fand, verwöhnte und verhätschelte ihn. Den größten Teil seiner Zeit, die ihm nach dem Wichsen noch verblieb, widmete er der Fertigung von Eisskulpturen. Eines Tages, als die Schneekönigin gerade nicht zu Hause war, tauchte Gerda plötzlich auf. Kay war natürlich ziemlich angefressen. Aber ihr war das schnuppe. Sie fiel ihm um den Hals und hing an ihm wie eine Klette … Schleimerei en masse. Kay begriff, dass das Mädel schwer von Kapee war. Er verpasste ihr eine ordentliche Tracht Prügel, dass ihr Hören und Sehen verging. Aber sie war mit allen Wassern gewaschen. Sofort zwitscherte sie los:
»Die Rosen, sie verblühn und verwehen, wir werden das Christkindlein sehen!«
Als Kay das Lied hörte, löste sich eine Träne, und damit wurde auch der Splitter aus seinem Auge gespült. In dem Augenblick sah er die Welt so wie früher. Er erinnerte sich daran, wie sehr er Gerda liebte et cetera pp. Trotz der zig Abenteuer, die sie erlebt hatten, kehrten sie gemeinsam,

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