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Söhne und siechende Seelen

Söhne und siechende Seelen

Titel: Söhne und siechende Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alper Canıgüz
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vergöttert mich … Vergöttern tut er mich!«
    Diesmal war es mir offensichtlich gelungen, sie zu einer Reaktion zu bewegen, allerdings in die falsche Richtung. Ihr war es vollkommen schnuppe, dass der Kerl gehängt werden würde; sie interessierte einzig, ob sie geliebt wurde oder nicht. Wer weiß, vielleicht war das auch ein Zeichen für eine höhere Bewusstseinsebene. Jedenfalls durfte ich nicht vergessen, dass ich mit einer Frau sprach. »Ach ja, klar«, erwiderte ich spöttisch. »Dich kann man einfach nur vergöttern. Besoffene Aphrodite!«
    »Einen Scheißdreck weißt du«, sagte sie in ihrer widerwärtigsten Art. »Erkin würde sein Leben für mich geben. Und ich für ihn, kapiert? Er ist der süßeste, sanfteste Mensch auf der Welt. Er ist nicht so ein Ochse wie Koray. Er ist sensibel, verständnisvoll …«
    »Okay. Dann wünsche ich euch viel Glück. Wenn sie ihn nicht aufhängen, dann kommt dein Liebster in dreißig Jahren aus dem Knast und ihr seid wieder vereint.«
    Sie leerte die Dose, wobei ihr das Bier an den Mundwinkeln hinunterrann. »Du bist saublöd. Du kapierst gar nichts. Mein Freund ist doch nicht er, sondern Koray.«
    »Koray, der Ochse?«
    Sie nickte hastig mit dem Kopf, weswegen sie sogleich heftig rülpsen musste. Gottlob gelang es ihr zum zweiten Mal, nicht zu erbrechen. »Wir werden heiraten.«
    »Ah, kapiert«, sagte ich mit dem Verlangen, ihr noch ein wenig mehr wehzutun. »Erkin betet dich an, aber er sieht dich nicht als Frau.«
    »Aach, du bist wirklich … du bist saublöd, ey«, erwiderte sie mit einem aggressiven Lachen. »Die sind alle tierisch in mich verliebt. Koray, Erkin, Kayhan …«
    Ich schnitt ihr das Wort ab, damit sie die Liste nicht fortsetzte. »Wenn das so ist, warum ziehst du einen Ochsen dem Mann, den du liebst, vor?«
    Sie zerknüllte die Bierdose in einer Hand und warf sie in die Ecke. Ihr Gesicht nahm einen säuerlichen Ausdruck an. »Kayhan war stinkreich. Er hatte ein tolles Auto. Er führte mich zum Essen aus und in Diskotheken und so. Immer an teure Plätze.«
    »Zum Teufel mit Kayhan! Erzähl mir lieber, warum du Erkin nicht willst.« Das Blut schoss mir in den Kopf. Mir war klar, dass ich vom Pfad des Verhörs abgewichen war, doch auf einmal war mir dieser Punkt wichtiger erschienen als alles andere auf der Welt. Welchen Sinn hat schon die Aufklärung eines Mordes, wenn es uns im Verständnis des Menschen nicht weiterbringt?
    Mit geschlossenen Augen seufzte sie laut auf. Verträumt lehnte sie sich zurück und streckte sich. »Erkin«, säuselte sie. »Mein Leben. Ich kann ihm das nicht antun.« Das war also der Grund, dachte ich. Sie kann es ihm nicht antun. Sie will ihn nicht zugrunde richten, indem sie ihr Leben mit ihm teilt. Aber natürlich irrte ich mich erneut. Die besoffene Göttin fuhr fort: »Koray mochte mich gern wie jede andere Frau, doch Erkin liebte mich. Verstehst du das? Mich! Seine Liebe war wahr. Und damit das so bliebe, musste ich nein zu ihm sagen.«
    »Aber wieso?«
    »Weil die Wahrheit enttäuschend ist.« Während sie kicherte, liefen ihr die Tränen herunter. »Ich habe ihm mein Herz geschenkt. Ich habe alles, aber auch alles mit ihm geteilt. Nachts schlief ich mit Koray, und gegen Morgen ging ich zu Erkin und schmiegte meinen Kopf an seine Brust, bei ihm fand ich Frieden. Ich erzählte ihm, was Koray mir alles angetan hat. Manchmal übertrieb ich dabei kräftig. Ich sagte, dass Koray mich schlug und mich im Bett wie eine miese Hure behandelte. Erkin hörte mir still zu. Ich weiß, dass ich ihm sehr viel Schmerz zugefügt habe. Aber ich hatte keine andere Wahl. Wie hätte er mich sonst verstehen können? Mein Schatz. Ich kann ihm das nicht antun …«
    Ich verspürte ein Brennen im Magen, und ich sah wohl etwas verschwommen. Der Alkohol bekam mir nicht. »Wie kann man nur so grausam sein?«, sagte ich, weniger zu ihr als vielmehr zu mir.
    »Wie kannst du mich verurteilen, du dreckiger Zwerg?«, schrie sie. »Weißt du eigentlich, dass ich dieses elende Leben keine einzige weitere Minute ertragen könnte, wenn da nicht der Traum von den glücklichen Tagen in der Zukunft mit Erkin wäre?« Dann begann sie laut schluchzend zu weinen. Damit sie nicht zusammenbrach, hatte sie ihren rechten Arm als Stütze zwischen Schoß und Kinn geklemmt, während sie vor und zurück schwankte. »Ich bin nicht grausam«, wimmerte sie. Sie sah wirklich höchst bemitleidenswert aus.
    Sie zimmerte sich also eine glückliche Zukunft mit Erkin zurecht.

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