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Söhne und siechende Seelen

Söhne und siechende Seelen

Titel: Söhne und siechende Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alper Canıgüz
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und die Wendeltreppe ins obere Stockwerk. Genau vor mir gab es einen zweiten Raum. Ich begab mich direkt dorthin. Der kleine Tisch in der Mitte, der Diwan an der Seite sowie ein altes Radio und natürlich ein Fernseher waren klare Indizien dafür, dass ich mich im Wohnbereich des Hauses befand. Und die bunten Blumen in jeder Ecke. Bestimmt standen hundert Blumentöpfe in dem Raum. Ich musste lachen. Ein Kerl mit so einem muffigen Gesicht und doch ein Blumenfreund! Es war wirklich schwer, die Menschen zu kennen.
    Meine zweite Anlaufstelle war die Küche. Zwar verspürte ich einen Anflug von Enttäuschung, als ich nichts Kühlschrankähnliches entdecken konnte, doch als ich einen Vorratsschrank voller Frühstückssachen wie Kekse, Milch und Marmelade erblickte, durchfuhr mein Herz ein wohligwarmes Gefühl. Ich krepierte beinahe vor Hunger und machte mich sogleich über das Essbare her. Je mehr ich mir die Wampe füllte, umso mehr fühlte ich mich dem Leben verbunden, sodass ich sogar einen Hauch von Sympathie für Gazanfer empfinden konnte. Ich kippte gerade ohne jegliches Schamgefühl ein großes Glas Milch hinunter, als ich auf einmal eine Gänsehaut bekam – lag es an dem Knarren oder an dem komischen Geruch, den ich schon eingangs gerochen hatte und der mir jetzt noch intensiver in die Nase fuhr? –, die Mampferei umgehend einstellte und aus der Küche floh. Aufmerksam schnupperte ich in die Luft. Nein, der verdammte Geruch stammte nicht von den Blumen. Andererseits schien alles normal zu sein. Vielleicht nahm mit dem Sättigungsgrad auch die Feigheit des Menschen zu.
    Meine Aufmerksamkeit wandte sich der Treppe zu, die sich von Anfang an in einem Winkel meines Gehirns eingenistet hatte. Ich beendete meine kulinarischen Genüsse und setzte meine Suche nach Zoff fort, indem ich behutsam die bei jedem Schritt knirschenden Stufen hinaufstieg. Am Ende der Treppe erwartete mich eine geschlossene Tür. Ohne Rücksicht auf die enormen Schwingungen des Verbotenen stieß ich auch diese Tür auf. Wie ich bereits vermutet hatte, war dies der Raum, in dem Ruhan Bey sich seinen Träumen hingab und sich vorzugsweise einen runterholte. An der Zerwühltheit des riesigen Betts war nichts Ungewöhnliches, verwunderlich war eher die Sauberkeit des Bettzeugs. Offensichtlich hatten wir den armen Mann jahrelang ungerechtfertigterweise als Menschenschlächter abgestempelt. Natürlich gab es keine Regel, die besagte, dass Menschenschlächter keine Blumen mochten oder ihr Bettzeug nicht wechselten, doch schien es eher einzuleuchten, dass Ruhan Bey ein armer Teufel war, der ein weitestgehend normales Leben zu führen versuchte. Genau in dem Moment entdeckte ich die Arzneischachteln und die Spritzen auf seinem Nachttisch. Soweit ich sehen konnte, handelte es sich bei der Schachtel um Morphinderivate. Als ich die Schublade öffnete, fand ich noch einen Haufen andere Medikamente. Dann sah ich die roten Pünktchen auf dem Kissen; die Fenster, die mithilfe von riesigen Pappstücken lichtundurchlässig gemacht worden waren; und dass es keine einzige Pflanze im Zimmer gab. Der Tod lag in der Luft.
    Das Brummen eines motorisierten Fahrzeugs hielt mich davon ab, mich neuen Fantasien hinzugeben. Ich sprang ans Fenster und stellte beim Blick zwischen den Pappstücken hindurch fest, dass meine Befürchtung eingetreten war. Ruhan Bey parkte gerade seinen Lieferwagen. In einem Satz rannte ich die Treppe hinunter. Eigentlich wollte ich auf dem gleichen Weg wieder abhauen, auf dem ich hereingekommen war, aber der Teufel musste mich geritten haben, denn ich ging in die Küche, um die Sachen wegzuräumen, die ich auf dem Tisch stehengelassen hatte. Sobald ich fertig war, bewegte ich mich in Richtung des Zimmers auf der rechten Seite, doch kaum hatte ich zwei Schritte gemacht, als sich auch schon die Haustür öffnete. Da bemerkte ich unter der Treppe eine Nische, die mir vorher irgendwie nicht aufgefallen war, und eilte dorthin. Zum Glück sah ich in letzter Sekunde, dass es hier eine Mulde gab, die einen halben Meter tief lag, und vermied so, auf dem Boden aufzuschlagen. Mittlerweile konnte ich hören, dass Ruhan Bey ins Haus getreten war. Nachdem ich in die Grube gesprungen war, die an ein kleines Grab erinnerte, stieß ich wieder an eine Tür. Ich fühlte mich wie in jenem berühmten Märchen mit den vierzig Türen und war nun an jener Tür angekommen, die sich niemals öffnen durfte. Bekanntermaßen muss ein unternehmungslustiger Trottel kommen und

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