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Söhne und siechende Seelen

Söhne und siechende Seelen

Titel: Söhne und siechende Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alper Canıgüz
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uns sofort verduften«, meinte er. Aber ich bewegte mich keinen Zentimeter. Das Ganze nagte an mir. Der Bastard machte meine Freunde fertig, einen nach dem anderen, und ich sah untätig zu. Ich hatte nicht die geringste Chance gegen ihn. Er war zweimal so lang und breit wie ich. Aber solche Berechnungen anzustellen war für mich inakzeptabel. Bedeutete Moral nicht, allen Menschen ungefähr gleich zu begegnen? Ich musste tun, was notwendig war. So dumm es auch sein mochte.
    Burhan kämpfte noch immer mit den Hunden. Ich ging zu ihm, hob den Ball auf und baute mich vor Gazanfer auf: »Wolltest du den hier?« Er richtete seinen irren Blick auf mich. Ohne ihm die Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, sagte ich: »Na, dann nimm halt«, und donnerte ihm den Ball auf die Nase. Schreiend vor Schmerz hielt er sich die Hand vor das Gesicht. Seine Nase blutete. Ich war gerade im Begriff, noch ein wenig mehr auf dicke Hose zu machen, als er mich derart am Kragen packte und an sich zog, dass mir von dem Beben ganz anders wurde. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er seine Hand erhoben hatte. Okay, sagte ich mir, bis hierher. Ade, du schöne Welt. Aber er schlug mich nicht. Wahrscheinlich hatte er Angst, zum Mörder zu werden. Ich sag’s ja, ein Psychopath. Die sind, anders, als man denkt, ziemlich berechnend. Dass er mich nicht umbrachte, bedeutete natürlich nicht, dass ich gerettet war. Mit der Hand klemmte er meinen Mittelfinger auf meinen Zeigefinger, presste sie aufeinander und unterzog mich so einer seltsamen Folter. Eine Weile widerstand ich, ja ich versuchte sogar, ihn zu treten, aber der Drecksack empfand das wohl eher als Witz. Er quetschte meine Finger nur noch stärker zusammen. Stöhnend vor Schmerz sank ich auf die Knie. Tränen schossen mir in die Augen. Dann heulte ich einfach drauf los. Nicht vor Schmerz, sondern aus Wut, versteht sich. Schließlich ließ er mich los und rief seine Hunde zu sich. Er sah uns Kinder kurz an, dann brüllte er: »Soll ich euch allen mal so richtig die Fresse polieren?« Keiner gab auch nur einen Mucks von sich. Doch in den Augen aller standen eine Riesenwut und ein Riesenhass. Ich denke, es war mir gelungen, ihre Gefühle zu mobilisieren. Doch wozu nutzte das schon? Der Trost der Schwachen halt. Letzten Endes krümmten wir drei Gazanfer-Invaliden uns schniefend auf dem Boden. Vor allem der blutüberströmte Burhan in seinen zerfetzten Klamotten sah furchtbar aus. Nachdem Gazanfer uns noch eine Weile beschimpft hatte und dann abgezogen war, versammelten sich die verschont Gebliebenen um uns. Mein Mut hatte mir jede Menge Anerkennung eingebracht. Und dass ich Gazanfer eine blutige Nase verpasst hatte, ging ihnen runter wie Butter. Nur Celal der Hänfling wimmerte: »Du bist verrückt, Mann. Man stellt sich doch Gazanfer nicht in den Weg! Nicht zu fassen.« Zwei Leute hakten Burhan unter, der einerseits weinte und andererseits Rache schwor. Gemeinsam gingen wir in unser Viertel zurück. Dann machte sich jeder auf den Heimweg.
    Meine Eltern waren zu Hause. Meine Mutter machte mir die Tür auf. Sie merkte nichts, da der Schaden, den Gazanfer mir zugefügt hatte, weitaus weniger sichtbar war als bei Burhan. Ich drückte auf meine Fingerspitzen und marschierte direkt ins Bad. Meine Mutter glaubt nämlich, dass die Wohnung von einer Bakterieninvasion heimgesucht wird, wenn man einander beim Heimkommen begrüßt, ohne sich vorher Hände und Füße gewaschen zu haben. Während ihre älteren Schwestern alle mit vierzehn, fünfzehn heirateten, gab meine Mutter ihr Ja-Wort erst mit dreißig. (Damit prahlt sie immer, weiß der Kuckuck warum). Die Gewohnheit, sexuelle Frustrationen mit übertriebener Hygiene zu kompensieren, muss sie sich wohl in jenen Jahren des Ledigseins angeeignet haben. Ich drehte den Hahn auf und hielt meine immer noch pochenden Finger unter das eiskalte Wasser. Mit diesem Schmerz würde ich wohl noch ein paar Tage zu kämpfen haben, doch allzu schlimm war es nicht. Ich machte mir vielmehr Sorgen um Burhan. Mit Sicherheit würde seine Familie durchdrehen, wenn sie ihn so sah. So wie ich Burhan kannte, würde er es nicht über sich bringen, Gazanfer zu verpetzen, weswegen er sich noch mehr Ärger einhandeln würde. Nicht zu vergessen die Tollwutspritzen, die er kassieren würde. Das Schlimmste für ihn aber war das Wissen, dass Gazanfer bei allem, was er getan hatte, ungeschoren davonkommen würde.
    Beim Essen machte mein Vater ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Seinen

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