Söldner des Geldes (German Edition)
Burschen aus dem Balkan getroffen ist, hat er es auf eine Schlägerei angelegt!», ereiferte sich Luginbühl.
«Schlägereien zwischen Burschen in diesem Alter sind doch normal», wiegelten die Kollegen ab.
Sie wollten einfach nicht begreifen, dass Imobstgarten eine Gefahr für die Gesellschaft war. Luginbühl war überzeugt davon, dass das milde Urteil dazu führen würde, dass er sich im Recht sah, weiterzuhetzen und Unfrieden zu stiften. «Eines Tages begeht er dann wirklich einen Mord! Ihr werdet schon sehen!»
Auch ausserhalb der Polizei schien es niemand sonderlich schlimm zu finden, dass Benjamin Luginbühl im Dienst beinahe erschossen worden und der Täter mit einer Bewährungsstrafe davongekommen war. Das galt zu seinem Verdruss besonders für die lokalen Medien. Dort wurde zwar ausführlich über die Gerichtsverhandlung berichtet, aber auch in diesen Artikeln klang es, als habe der Angeklagte nichts als eine verzeihliche Dummheit begangen. Ein breiter Protest aus der Bevölkerung gegen das milde Urteil blieb aus.
Auf ein anderes Vergehen, das in die gleiche Zeit fiel, reagierten die Leute zu Luginbühls Verbitterung weitaus heftiger: Eine Gruppe von osteuropäischen Roma war verhaftet worden, als sie gerade im Begriff war, in der Garderobe des Schulgebäudes von Bönigen, wo ein Altersnachmittag abgehalten wurde, die Taschen und Mäntel der betagten Gäste zu durchsuchen. Die nachfolgenden Ausgaben der Zeitungen brachten zahlreiche Leserbriefe, die endlich eine Lösung des «Romaproblems» forderten.
Luginbühl schrieb eine kritische Replik darauf, die nur aus den wenigen Worten bestand: «‹Romaproblem›? Vor sechzig, siebzig Jahren jammerte man über das ‹Judenproblem›!» Am nächsten Tag fackelte ihm jemand das Schrebergartenhäuschen ab. Der Brandstifter konnte nie gefasst werden, aber Luginbühl war sicher, dass auch diese Tat auf das Konto Imobstgartens ging.
Dölf Imobstgarten, der nach dem Prozess als reuiger Sünder wieder in den Schoss seiner Familie zurückgekehrt war, wurde zu Benjamin Luginbühls persönlicher Obsession. Wenn eine Schlägerei oder irgendeine Aktion gegen Ausländer gemeldet wurde, dann war ihm nur noch eines wichtig: War Imobstgarten darin verwickelt? Das war aber nie der Fall; der junge Mann verhielt sich in den Wochen nach dem Urteil mustergültig.
Vergeblich suchte Luginbühl nach einer Gelegenheit, ihm etwas nachzuweisen. Dabei ging sein Engagement weit über den normalen Diensteifer hinaus. Er begann, ihm auch in seiner Freizeit nachzustellen, und trieb sich viele Abende beim Haus der Imobstgartens herum. Verliess der junge Imobstgarten dieses, folgte ihm Luginbühl diskret. Meist stellte er fest, dass Imobstgarten mutterseelenallein eine oder zwei Stunden durch die Gassen Untersees und Interlakens spazierte und wieder nach Hause zurückkehrte, ohne jemanden zu treffen. Einige Male läutete er an einer Wohnungstüre in der Nachbarschaft. Ein halbwüchsiger Junge, den Luginbühl schon als Knirps gekannt hatte, öffnete ihm. Auf dem Briefkasten neben der Glocke stand der Name Blaser. Die Blasers gehörten zu der Sorte unbescholtener Bürger, die der Polizei nie auffielen. Hoffentlich verführt dieser Kriminelle den jungen Blaser nicht, dachte Luginbühl düster.
Doch jedes Mitglied der Familie Imobstgarten war aufmerksam. Hinter den Vorhängen bemerkte man dort fast alles, was ums Haus herum vorging. Eines Tages tauchte Vater Imobstgarten im Polizeiposten auf und verlangte den Postenleiter zu sprechen. Die Sekretärin Anna Rieder berichtete, dass Anton Binggeli ihn nach einem längeren Gespräch sehr freundlich verabschiedet und sie dann angewiesen habe, Luginbühl unverzüglich zu ihm zu schicken.
Was sie genau besprochen hatten, wusste sie nicht. «Denkt ihr, ich lausche beim Chef an der Tür?», fragte sie spitz, als der Gefreite Blatter so taktlos war nachzufragen. Aber da Benjamin Luginbühl am Tag danach krankgemeldet und auch nach Wochen nicht wieder aufgetaucht war, machten bald Gerüchte die Runde: Luginbühl, so wurde getuschelt, sei zur Behandlung in eine Nervenklinik eingewiesen worden. Er habe Imobstgarten ständig anonyme Briefe voller Drohungen und Beschimpfungen geschrieben. Andere hatten gehört, dass Vater Imobstgarten ihn nachts dabei ertappt habe, wie er versucht hatte, in sein Haus einzudringen. Wieder andere glaubten zu wissen, dass er die Familie mit nächtlichen Telefonanrufen terrorisiert habe.
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Bruno Tadics Wege hatten sich
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