Söldnerehre (German Edition)
Ansehen bei den Varis noch. Die Tiere wurden sogleich gehäutet, ihr Fleisch in kleine Stücke zerteilt und in die Brühe gegeben. Die Menschen genossen die Suppe, als hätten sie nie etwas Besseres gegessen. In vielen Fällen war es tatsächlich die gehaltvollste Mahlzeit seit Langem.
Nachdem alle gegessen hatten, teilte Marek die Wachen für die Nacht ein und stellte sich anschließend auf einen Baumstumpf.
»Hört mir alle einen Moment zu.« Er wartete einige Sekunden, bis das Lager zur Ruhe gekommen war. »Ich bin sehr zufrieden mit dem heute bewältigten Pensum. Wir sind sehr gut vorangekommen. Falls alles glattgeht und keine Überraschungen mehr auftreten, sollten wir morgen im Laufe des Nachmittags Erys erreichen. Die Stadt ist schon sehr nahe.«
Bei diesen Worten brandete spontaner Jubel auf und Feldwebel Marek zeigte ein seltenes Lächeln. Die Stimmung unter den ihm anvertrauten Menschen verfehlte auch bei ihm seine Wirkung nicht. Er ließ die Menschen einige Augenblicke jubeln, bis er mit erhobener Hand erneut um Stille bat.
»Da die Stadt nicht mehr weit ist, schlage ich vor, wir marschieren bei Morgengrauen weiter. Je früher wir Erys erreichen, desto besser. Bereitet euch darauf vor. Geht schlafen. Ruht euch aus. Morgen wird noch ein anstrengender Tag. Aber bald sind wir in Sicherheit.«
Erneut brandete Jubel auf. Marek stieg vom Baumstumpf und ging durch die Menschenmenge, strich hier einem Kind eine Haarsträhne aus dem Gesicht, sprach dort einer jungen Familie gut zu. Seine ruhige Art machte den Menschen Mut. Das hätte Kilian ihm ehrlich gesagt gar nicht zugetraut.
Der Söldneranführer setzte sich schwer auf den Boden, während ringsherum das Lager zur Ruhe kam. Alle Feuer bis auf eines wurden gelöscht und die meisten der Menschen wickelten sich in ihre Decken ein.
Kilian strich sich über den gefüllten Bauch. So gesättigt hatte er sich schon seit Langem nicht mehr gefühlt. Dafür könnte er Kurta glatt küssen.
Lyra schlenderte unsicher zu ihm herüber. Einen Moment lang wirkte sie, als würde sie jeden Augenblick wieder umdrehen. Doch sie überwand den Impuls und setzte sich neben ihn. So saßen sie eine Weile schweigsam nebeneinander. Keiner von beiden wusste so recht was zu sagen.
»Tut mir leid«, brachte Lyra schließlich mühsam hervor.
Kilian schaute überrascht auf. »Was denn?«
»Einfach alles. Dass ich heute Mittag einfach wütend davongegangen bin. Dass Darian gestorben ist. Aber vor allem, dass ich euch belogen habe.«
Die Erinnerung an seinen Freund sandte einen schmerzhaften Stich der Trauer durch sein Herz. Tränen traten in seine Augen, doch er kämpfte sie eisern nieder.
»Danke«, erwiderte Kilian leise. Er hatte Angst, dass seine Stimme schnell in Schluchzen übergehen würde, falls er lauter redete. Erst als er sicher war, seine Stimme unter Kontrolle zu haben, sprach er weiter.
»Ist schon gut. Vielleicht konntest du gar nicht anders handeln. Und vielleicht hattest du mit deinem Misstrauen am Anfang gar nicht so unrecht.«
»Es bedeutet mir viel, dass du das sagst«, antwortete sie, ohne aufzublicken. »Und wegen Darian …«
»Darian hat seine Wahl getroffen«, fiel er ihr sanft ins Wort. »Er tat, was er für richtig hielt. Das hat er immer.«
Nun liefen doch Tränen über seine Wangen. Kilian hoffte, dass Lyra in der Dunkelheit nicht sehen konnte, wie er weinte.
Doch Lyra beugte sich plötzlich zu ihm herüber und küsste den völlig verdutzten Kilian auf den Mund. Es geschah so schnell, dass der Söldner kaum Gelegenheit hatte, darauf zu reagieren. Ihr Mund schmeckte süß und herb zugleich. Und als sich ihre Lippen von seinen lösten, wusste er nur eines: Er wollte mehr davon.
»Lyra …«
»Sch …«, erwiderte sie. »Sei einfach mal still.«
Ohne weitere Worte zu vergeuden, zog sie ihre Lederweste aus und knöpfte ihr Hemd auf. Anschließend setzte sie sich auf Kilians Schoß und drückte ihn sanft aber bestimmt auf den Waldboden. Dass der Boden mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt war, kümmerte sie nicht. Und sie gaben sich ungehemmt ihrer Leidenschaft füreinander hin.
Als sie sich Stunden später atemlos voneinander lösten, dämmerte bereits der Morgen. Lyra sah lächelnd zu Kilian hinüber und strich ihm sanft über das Gesicht. Der Söldner genoss die ungewohnte Geste der Zärtlichkeit.
»Kilian?«
»Ja?«
»Töten ist nicht das Einzige, was du gut kannst«, grinste sie.
Bei dieser Bemerkung lachte Silas plötzlich schallend los
Weitere Kostenlose Bücher