Söldnerehre (German Edition)
an die hunderttausend Mann. Und es waren noch zwei weitere solche Armeen auf dem Marsch, um sich ihnen bei Erys anzuschließen, um bei Erys die letzte Schlacht zu schlagen.
Erys. Dieser Gedanke brachte ihn in die Gegenwart zurück und er wandte sich seinem Herrn zu. Pollok wartete geduldig, bis sich sein Schamane so weit gesammelt hatte, um Bericht zu erstatten.
»Nun?«, fragte der Kriegsherr der Moyri-Horde.
»Sie haben die Abtei verlassen.«
»Bedauerlich. Dann hat Karok also versagt.«
»In der Tat. Er hat jedoch auch den höchsten Preis dafür gezahlt.«
»Schade. Er war ein guter Mann.«
Ephraim kannte seinen Herrn lange genug, um den Anschein ehrlicher Gefühle in den Worten Polloks zu durchschauen. Pollok empfand weder Mitgefühl noch Anteilnahme. Ephraim vermutete sogar, dass er zu so etwas wie aufrichtigen Gefühlsregungen gar nicht in der Lage war. Abgesehen von Ehrgeiz selbstverständlich. Wobei der Schamane zu der Ansicht neigte, dass es sich dabei eher um ein Ziel und weniger um ein Gefühl an sich handelte.
»Wohl nicht gut genug«, erwiderte Ephraim auf Polloks Aussage hin.
»Leider.« Der Kriegsherr dachte angestrengt nach. »Wenn ich jetzt zwei Abteilungen meiner Reiterei zur Abtei schicke …«
»Es wäre sinnlos. Sie sind bereits aufgebrochen und werden Erys innerhalb des nächsten Tages erreichen. Selbst deine besten Reiter sind nicht so schnell.«
»Ein Jammer. Ich hatte gehofft, die Sache beenden zu können, bevor die Belagerung beginnt. Wenn dieses Kind die Sicherheit der Befestigungen von Erys erreicht, wird es den kommenden Kampf nur unnötig verkomplizieren.«
»Als Kind würde ich sie wahrlich nicht beschreiben. Sie ist eine junge, im Erblühen begriffene Frau. Und sie ist dabei, selbstbewusster zu werden.«
»Das macht mir ja gerade solche Sorgen«, brauste Pollok auf. »Ihre Anwesenheit wird den Widerstandswillen der Verteidiger ins Grenzenlose aufputschen. Der Preis für die Einnahme der Stadt wird ungleich höher ausfallen. Vorher waren die Varis-Truppen nur noch ein demoralisierter, müder Haufen geschlagener Soldaten, die eigene Niederlage deutlich vor Augen. Die Anwesenheit ihrer neuen Königin wird ihnen Mut und Hoffnung schenken. Sie werden kämpfen wie die Helden, schlimmer noch: wie in die Ecke gedrängte Dachse. Die Schlacht wird kein schöner Anblick werden.«
Ephraim überlegte, ob er seinem Herrn auch die übrigen schlechten Neuigkeiten verraten sollte. Angesichts dessen übler Laune schien eher Vorsicht angebracht, doch der Schamane war ein loyaler Sohn seines Stammes und darüber hinaus Pollok in Treue verbunden, solange er zurückdenken konnte. Er hatte keine Wahl. Er musste es sagen, gleichgültig, wie der Kriegsherr darauf reagieren würde.
»Es gibt noch mehr zu berichten, mein Herr.«
Pollok hob eine Augenbraue und runzelte die Stirn. »Sprich!«
Ephraim schluckte schwer. »Die Söldner wissen es. Sie kennen Miriams wahre Identität und wissen, wer ihre Eltern waren.«
Polloks Stirnrunzeln vertiefte sich. Ephraim wagte kaum zu atmen.
»Und Logan?«
»Er auch.«
»Verflucht, verflucht, verflucht!«, donnerte es aus Polloks Kehle. »Bei allen Göttern, verflucht!« Polloks Gesicht lief vor Wut rot an.
»Mein Herr, er ist nur ein Mann.«
»Sei kein Narr«, wetterte Pollok. »Du kennst ihn fast genauso gut wie mich. Du weißt, wie er ist. Nicht nur, dass er sich angegriffen fühlen wird, weil ich ihn belogen habe. Nein, sein Ehrgefühl wird ihn auch noch dazu zwingen, das Mädchen und ihre Geschwister zu beschützen. Von Nari Eskals Mordversuch will ich noch nicht mal reden. Mich Logan in einer Schlacht zu stellen, war das Letzte, was ich wollte. Verdammte Ehre! Verdammter Logan! Verdammtes Erys!«
Ephraim zog den Kopf ein und wartete geduldig darauf, dass der Wutanfall Polloks abebbte. Es war äußerst gefährlich, ihn jetzt zu stören. So mancher hatte aus diesem Grund bereits seinen Kopf verloren.
Pollok fluchte eine ganze Weile so weiter, bis er endlich zur Ruhe kam. Der Kriegsherr atmete mehrmals gut durch und sein Gesicht nahm allmählich wieder so etwas wie eine halbwegs gesunde Farbe an.
»Also schön«, sagte Pollok deutlich ruhiger. »Was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht mehr geändert werden. Sie werden also Erys erreichen, bevor wir irgendeine Chance haben, sie aufzuhalten?«
Ephraim nickte.
»Na schön. Sollen sie doch. Erys hat keine Chance standzuhalten. Nicht gegen eine Streitmacht wie die, die ich gegen die Stadt ins
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