Söldnerehre (German Edition)
Seele zu blicken.
»Sie gefällt dir«, schloss der Barde schmunzelnd.
»Was?«
»Lyra. Sie gefällt dir.«
»Natürlich gefällt sie mir. Hast du dir schon mal ihren Körper angesehen?«
»Das meine ich nicht. Ich will eher damit sagen: Du magst sie.«
»Red doch keinen Schwachsinn. Seit wir uns ihrer und ihrer Bälger angenommen haben, haben wir nichts als Ärger. Wir wären sogar beinahe draufgegangen.«
»Wie ungewöhnlich für Söldner«, höhnte Silas.
Kilian ignorierte den Sarkasmus und aß das restliche Brot auf. Mehr, um sich nicht auf eine solche Diskussion einlassen zu müssen, als wirklich aus Hunger. Aber Silas ließ nicht locker.
»Ist doch gar nicht so schlecht, dass du sie magst. Ist nur meine bescheidene Meinung. Sie ist auf jeden Fall mal eine angenehme Abwechslung im Vergleich zu dem Frauentyp, den du sonst so bevorzugst.«
»Und was für ein Frauentyp wäre das?«
»Großer Busen, kleines Hirn.«
»Du sagst das, als wäre das was Schlechtes«, stichelte Kilian.
»Also ich würde – wie drücke ich das jetzt am taktvollsten aus? – mich intellektuell unterfordert fühlen.«
»Könntest du mein Liebesleben freundlicherweise mir überlassen?«
Silas hob abwehrend die Arme und signalisierte damit das Ende der Diskussion. »Ich will mich da auch in keiner Weise einmischen. Es reicht zu sagen, dass …«
»Kilian!«, rief Kurta und schnitt Silas das Wort mitten im Satz ab. Der Bogenschütze stürmte polternd die Treppe herunter.
»Was ist?«
»Ihr solltet besser kommen. Jonas ist verschwunden!«
Kilian wechselte einen schnellen Blick mit Silas. »Wie? Verschwunden?«
»Er ist weg. Einfach weg. Kommt schnell!« Der Moyri-Bogenschütze drehte sich auf dem Absatz um und lief den Weg zurück, den er gekommen war, ohne auf die beiden zu warten.
Kilian wechselte mit Silas einen weiteren Blick. Wie auf Kommando sprangen sie auf. In Kilians Fall ein Fehler, denn der Boden begann sofort unter seinen Füßen zu wanken. Seinen momentanen Zustand verfluchend, stürmte er dem Barden hinterher, der bereits halb die Treppe hoch und schon außer Sicht war.
Als er außer Atem Jonas’ Zimmer endlich erreichte, hatten sich die anderen bereits in einem Halbkreis um den Türrahmen versammelt. Selbst Faris und Lyra waren anwesend. Miriam öffnete die Tür zu ihrem Zimmer einen Spaltbreit und lugte mit einem Auge heraus. Hinter ihr drängten sich die Kinder, um auch etwas von der Quelle dieses Trubels mitzubekommen.
»Miriam, schließ die Tür!«, befahl Lyra, als sie die Kinder bemerkte. »Ich erzähle dir später, was los ist.« Die junge Frau gehorchte. Man konnte sie trotz des massiven Holzes durch die Tür beruhigend auf die Kinder einreden hören.
Kilian drängte sich an den anderen vorbei ins Zimmer. Er vermied es sorgfältig, in Lyras Richtung zu sehen. Fast war er froh, dass etwas passiert war und er nicht auf den gestrigen Abend zu sprechen kommen musste.
Kilian drängte den Alkoholnebel, der sein Gehirn immer noch umgab, mühsam zurück, um die Eindrücke, die auf ihn eindrangen, verarbeiten zu können. Als er den Raum bewusst wahrnahm, stockte ihm der Atem. In einer Ecke lag achtlos Jonas’ Schwert. Es steckte noch in der Scheide. Der Raum sah aus, als hätte ein Orkan darin gewütet. Möbelstücke lagen kreuz und quer, der Bottich mit dem inzwischen kalten Wasser stand einsam und verlassen in der Mitte des Raums. Er war nur noch halb voll. Das restliche Wasser tränkte den Boden. Das Holz war bereits aufgeweicht und verquollen.
Kurta stand betreten da, sein Gesicht eine Miene tiefster Reue und Scham. Vekal hatte dem Bogenschützen mitfühlend die Hand auf die Schulter gelegt. Als Kilian den Raum betrat, erhob sich Darian, der in der Hocke etwas untersucht hatte. Als sich sein alter Freund ihm zuwandte, sah Kilian, dass sich dunkle Flecken auf dem Boden befanden.
Der riesige Söldner bemerkte Kilians Blick und nickte. »Blut«, sagte er düster. »Jemand hat Jonas heute Nacht geholt.«
»Aber wer?«, wunderte sich der Söldneranführer. »Und warum?«
»Es ist alles meine Schuld«, murmelte Kurta plötzlich.
»Das ist doch Unsinn«, beruhigte ihn Darian. »Wie hättest du das wissen können?«
Kilian sah von einem zum anderen. »Wovon redet ihr beide da?«
Kurta wagte kaum aufzusehen. »Gestern Abend habe ich Lärm aus Jonas’ Zimmer gehört. Ich dachte, er macht wieder einen seiner Scherze mit mir, und habe nicht darauf reagiert. Wenn ich es hätte, dann wäre er vielleicht
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