Söldnerehre (German Edition)
Pfeil flog durch die Luft und durchbohrte einen der ihren. Sie erreichten den Waldrand ohne Zwischenfälle. Aber das half nicht besonders, Kilians Bedenken zu zerstreuen. Zwischen den dicht stehenden Baumstämmen fühlte er sich, wenn überhaupt möglich, noch bedrohter.
Natürlich hatte er schon zuvor etliche Kämpfe erlebt. Aber noch nie hatte man es auf ihn oder einen seiner Männer persönlich abgesehen gehabt. Bisher hatten sie immer aus der Anonymität eines Heeres gekämpft. Diesmal war das anders. Dieses Mal marschierten sie in das aufgerissene Maul eines Löwen.
Kilian war froh, dass er Kurta zurückgelassen hatte. Hier würden sie auf engstem Raum kämpfen müssen und ein Bogenschütze, zumal einer mit Schuldgefühlen, wäre da nur von begrenztem Wert gewesen.
»Bleiben wir zusammen oder trennen wir uns?«, fragte Vekal leise.
Der Instinkt zu flüstern war beinahe übermächtig. Kilian hatte das Gefühl, dass aus dem dichten Buschwerk Dutzende von Augenpaaren jede ihrer Bewegungen verfolgten. Ein Schauder lief über seinen Rücken und die Härchen an seinen Unterarmen richteten sich auf. Er schüttelte den Kopf, um das Gefühl abzuschütteln. Wer immer sie hierher gelockt hatte, verstand etwas davon, in seinen Gegnern Angst zu wecken.
Mit einem Mal wurde Kilian klar, dass sie ihrem unsichtbaren Gegner genau in die Hände spielten. Sie waren ihm blindlings gefolgt, auf ein Terrain, das er sich ausgesucht und womöglich auch für sie vorbereitet hatte. Kilian kniff die Augen zusammen und spähte in den Wald hinein.
Jetzt spinn nicht herum, redete er sich selbst Mut zu. Das bildest du dir nur ein. Werd jetzt bloß nicht paranoid.
»Wir bleiben zusammen«, entschied er. »In der Gruppe sind wir sicherer.«
»Einzeln könnten wir aber ein größeres Gebiet absuchen«, hielt Darian dagegen.
Kilian schüttelte den Kopf. »Wir bleiben zusammen«, stellte er fest. Darian zuckte als Antwort lediglich unbeschwert die Achseln. Bei dem Anblick musste er unwillkürlich lächeln. Was hätte er dafür gegeben, so ruhig zu sein wie sein alter Freund.
Andererseits ist er ja auch ein Riese. Wovor muss er schon Angst haben?
Vekal huschte von Baumstamm zu Baumstamm, um den Weg vor ihnen auszukundschaften. Der flinke kleine Messerkämpfer war in seinem Element. Bereits nach wenigen Metern war er außer Sicht. Kein Laut verriet seinen Standort. Aus diesem Grund zuckte Kilian auch überrascht zusammen, als Vekal plötzlich direkt neben ihm auftauchte, als würde er direkt aus dem Boden wachsen.
Kilian brachte seine Gesichtszüge sofort wieder unter Kontrolle, aber ein wissendes Funkeln in Vekals Augen zeigte, dass ihm die Entgleisung des Söldneranführers trotzdem nicht entgangen war.
»Was gefunden?«, fragte Kilian, um den Moment zu überspielen.
»Nein. Die Spur verliert sich etwa dreißig Meter voraus auf einer kleinen Lichtung.«
»Und was nun?«, wollte Darian wissen und sah dabei von einem zum andern.
»Glaubst du, du findest die Spur wieder?«, fragte Kilian, ohne die Frage seines Freundes zu beachten.
Vekal nickte kurz und abgehackt. »Garantiert. Man kann niemanden durch einen Wald tragen, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Aber es wird einige Zeit dauern.«
»Wie lange?«
Vekal verzog das Gesicht zu einer ungeduldigen Grimasse. Seine Stimme troff vor Frustration. »Sehe ich vielleicht aus wie ein Hellseher? Es wird so lange dauern, wie es dauert.«
Der Messerkämpfer drehte sich auf dem Absatz um und verschwand wieder zwischen den Büschen. Bevor Kilian und Darian etwas sagen oder tun konnten, war der quirlige Krieger auch schon außer Sicht.
Kilian starrte ungehalten und nicht minder frustriert als Vekal zuvor auf die Stelle, an der der Messerkämpfer verschwunden war.
»Und was machen wir jetzt so lange?«, fragte Darian leise.
»Na was wohl?«, seufzte Kilian. »Warten.«
* * *
Vekal verschmolz regelrecht mit seiner Umgebung, als er, einem Schatten gleich, zwischen den Bäumen umherhuschte. Er blendete alle Waldgeräusche aus. Das Zwitschern der Vögel, das Rascheln der Bäume, das Knistern von kleinen Tieren im Unterholz. All das nahm er ab jetzt nicht mehr bewusst wahr. Diese Fähigkeit machte ihn zu einem so guten Spurenleser. Von jetzt an war er in der Lage, Geräusche, die nicht hierher gehörten, zwischen den vielen verschiedenen Lauten des Waldes herauszuhören. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er die Fährte des Entführers wiederfand. Alles nur eine Frage der Zeit.
Hinter
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